George Orwell zu Gast im Rathaus
Varnhorns schräger Ansatz ist Gift für jeden Bürgermeisterwahlkampf, denn der klammert das gesellschaftsverbindliche Diversitäts-Ideal aus. Somit bestehen Zweifel an Varnhorns Glaubwürdigkeit in Hinsicht seiner demokratischen Grundhaltung. Die selbst ist im Grundgesetz geregelt.
Die Cloppenburger Politik war sich bereits zuvor nicht zu schade, den vollumfänglich definierten Begriff „Diversität“ in ein völlig anderes Licht zu rücken. Ganz so, wie es passte! George Orwell ließ hierbei herzlich grüßen. Letztendlich konnte auch dieser überstürzte Versuch, die Bedeutung des Diversitätsbegriffs zu verschieben, die Zweifel an der demokratischen Legitimation des Beschlusses nicht ausräumen. Immerhin wurden grundrechtliche Fakten ausblendet, die grundsätzlich als unpassend galten. Das hat funktioniert: Ubi non est iudex actori: Wo kein Kläger, da kein Richter. Die Politik und deren angebliche Experten waren der festen Meinung, politische Diversitäts-Kriterien von kritischen Inhalten befreien zu müssen.
Was aber demokratische Wahlen betrifft, so gibt es stets gute Gründe, über kritische Themen zu reden. Der Glaubwürdigkeit tut gerade das keinen Abbruch. Das aber hat Varnhorn nun ausgeschlossen. Wenn auch nur mit perfider Klammheimlichkeit! Schließlich sind nur „bessere Ideen“ gefragt.
Das Thema Bekenntnisschule ist das „Pars pro toto“ für vieles, was der Cloppenburger CDU zusammen mit ihrem Bürgermeisterkandidaten fremd ist. Und auch die angeblich weltoffene SDP/GRÜNE-Bürgermeisterkandidatin, Christiane Priester, will sich mit diesem „Fremden“ erst gar nicht anfreunden. Sie lässt sich zwar empfehlen, über das Für und Wider einer Freichristlichen Bekenntnisschule in Cloppenburg zu reden. Doch die ihr in den Mund gelegte Absage an die Bekenntnisschule hat sie nicht dementiert, aber auch nicht bestätigt. Bis heute war nicht einmal eine Begründung von ihr zu hören.Priesters Wahlkampf speist sich somit aus dem Nichts. Kritische Themen? Um Gottes willen! Aber auch das ist eine deutliche Botschaft!
Doppelzüngig oder doppelspitzig?
Sowohl Varnhorn als auch Priester fehlt der Blick für ein weltoffenes Cloppenburg mit nahezu 37.000 Einwohnern. Exemplarischer Meilenstein ist die Ablehnung der Bekenntnisschule und damit der Ausschluss einer respektablen Volksgruppe aus der Cloppenburger Community. Nach der Divise, „erst anpassen, dann können wir reden.“ Diversität scheint den Kandidaten, Priester und Varnhorn, nur auf individuelle Ebene ein Wert zu sein. Der Politik gilt Bemühen um Verstehen und Verständnis offenbar als Schwäche. Das übernehmen Priester und Varnhorn kritiklos. Damit aber zeigen sie, dass sie in erster Linie ihren Parteien verpflichtet sind und nicht den Bürgerinnen und Bürgern. Letztere haben schon lange nichts mehr zu melden.
Zentral fehlt den Bürgermeisterkandidaten, insbesondere Priester, ein grundlegendes, reflexives Element. Ansonsten hätten sie in die aufrührerische Debatte um die Bekenntnisschule bereits im Vorfeld eingegriffen. Den Wählerinnen und Wählern bleibt somit letztendlich nichts anderes übrig, als die Fraktionen zu wählen, die die Kandidaten aufgestellt haben oder diese unterstützen.
Hinsichtlich des zukünftigen Kurses der Cloppenburger Politik ist die Wahl der Kandidaten selbst unbedeutend. Eine politisch bedeutende Alternative zeigt sich nicht wirklich ab. Das wissen Priester und Varnhorn nur zu genau. Um mit ihren Parteien nicht weiter anzuecken, orientieren sich ihre medialen Reflexe weiterhin am politisch unverbindlichen, aber entlarvenden Pillepalle, also an vielleicht notwendigen Details des täglichen Lebens. Das aber ist nicht Aufgabe des politischen Betriebs. So fordert Priester (SPD) „Kostenlose Tampons“ (13) und Varnhorn (CDU) zumindest eine Bürgeranhörung (14) , also erst mal nix Allgemeinverbindliches! Bei so viel Uniformität läge es doch nahe, im Zeitgeist der vorherrschenden Modernität, eine Doppelspitze für Cloppenburg zu etablieren. Vorschlagsweise eine Halbtagsstelle für das Duo Priester und Varnhorn, um zumindest der vorherrschenden Uniformität Rechnung zu tragen.
Uniformität der Meinungen
Nunmehr ist zu erkennen, dass es in Cloppenburg wenig bis keine Gründe gibt, über wirklich kritische Themen zu reden. Das wäre z.B. der Antrag der INITIATIVE BÜRGERBÜNDNIS CLOPPENBURG (IBC), die Satzung über die Straßenausbaugebühren rückwirkend für das Jahr 2021 ersatzlos zu streichen (15) oder die massive Kritik der IBC, dass die Ökoauflagen für Bauherren, die zum teureren KfW-40 Ausbau verpflichten, besonders junge Familien von verteuerten Eigenheimbau ausschließen. (16) Nichts darüber von den Bürgermeisterkandidaten Varnhorn und Priester. Das kommt einem politischen Trauerspiel gleich.
Abgesehen davon, dass viele im Ansatz erst gar nicht gewollt sind – das zeigen die zuvor aufgeführten Beispiele-, bleibt es den vorwiegend uniformierten Fraktionen der Cloppenburger Politik mangels weltoffenen Weitblicks vorenthalten, überhaupt kritische Ansätze zu entwickeln. In Folge dessen versteht man sich in der aktuellen Wahlperiode besonders gut. Das sollte zu denken geben.
Nach der CDU-SPD-Intrige gegen die stellvertretende Bürgermeisterin, Jutta Klaus, (17) brach im Cloppenburger Rat die Zeit des auskömmlichen Miteinanders an. Diese wurde nunmehr zum Selbstzweck einer „guten“, sich anbiedernden Politik ohne oppositionelle Grundhaltung. Zum Vorteil der CDU-Fraktion.
Bei so wenig kritischer Distanz liegt es auf der Hand, dass die einfachen Bürgerinnen und Bürger in die Röhre schauen. Der politische Schaden wird hier (18) und hier (19) exemplarisch belegt.
Rational sichtbar scheint es im Cloppenburger Stadtrat nur eine Partei zu geben, die in mehrere Fraktionen gespalten ist. Die Unterschiede werden in der Regel suggeriert, indem Themen in den Vordergrund gestellt werden, die Symptome thematisieren, aber nicht deren Ursachen. Der politische konstruierte Diskurs verliert sich somit in der Irrationalität und kann letztendlich zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis kommt. Eine „autofreundliche“ Fahrradstadt kann es z.B. nicht geben. (20)
Das Absurde dieser Verbalkonstruktion offenbart bereits das Irrationale einer perfiden Mogelpackung, die das konserviert, was bereits Alltag in Cloppenburg ist. Und weil man in den unendlichen Diskussionen oft nicht auf den Punkt kommen will, müssen anstelle der Sachthemen Namen treten. Die erscheinen dann in den Cloppenburger Lokal-Medien umso größer. Als hochgelobte oder auch verteufelte Symbolfiguren einer irrationalen Politik, die nicht so recht überzeugen kann.
CDU-Bürgermeisterkandidat Varnhorn scheint alles das zu ignorieren. Artig setzt er auf Dialogbereitschaft mit dem Versprechen, im Falle seines Wahlsieges ein bürgeroffenes Wahlprogramm umsetzen. Der schöne Schein der Medienkampagne aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Varnhorn der inhaltlichen Ausrichtung der CDU verpflichtet ist. Ein wirklich bürgerfreundliches Wahlprogramm mit weltoffenem Charakter kann und darf er letztendlich nicht präsentieren. Der CDU-Bürgermeisterkandidat ist gefangen in einem katastrophalen Dilemma! Der Ausweg, der ihm bleibt, kann nur eine altbewährte Polit-Konstruktion sein.
Konstruktion irrationaler Einheiten
Da man sich in Parteiprogrammen aber nicht verbindlich festlegen will, fallen ihre Formulierungen in der Regel recht unverbindlich aus. Im Grunde werden handfeste, rationale Themen erst gar nicht konkretisiert. So sind die Parteiprogramme inhaltslehr und ihre angesprochenen Themen verkommen zu irrationalen Blöcken ohne Hand und Fuß. Und weil das so ist, konstruiert die Politik zunehmend irrationale Einheiten, mit denen politische Themen und den damit agierenden Symbolfiguren verschmolzen werden. Folglich werden nicht mehr Parteien gewählt, die sich für ein bestimmtes Parteiprogramm starkmachen –in dem ohnehin nichts Fassbares zu finden ist-, sondern Personen, von denen man glaubt, dass sie so nett sind, ihre Wähler nicht zu vergessen. Dieser Verkaufsschlager gehört mittlerweile zum Alltagsgeschäft von Politik und Medien.
Bei den vergangenen Landtagswahlen im März 2021 in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg konnte beispielsweise keine der Gewinnerparteien mit ihrem Wahlprogramm punkten. Wählerinnen und Wählerinnen waren daher umso mehr gefordert nach den Motto: „Wählen oder nicht wählen gehen“. Gepunktet haben am Ende die Spitzenkandidaten Malu Dreyer (SPD) (21) und Winfried Kretschmann (Grüne). (22) Hierbei darf nicht vergessen werden, dass viele der Wahlberechtigten den Gang zur Urne konsequent verweigert haben.
Die Wahlauswertungen haben anschließend deutlich gemacht, dass zwischen 8 Prozent (RLP) und 12 Prozent (BW) der Wahlberechtigten nicht mehr in den jeweiligen Parlamenten vertreten waren. Das, was sie gewählt hatten, war an der Fünfprozent-Hürde gescheitert. Zusammen mit den Nichtwählern sind demnach zwischen 44 Prozent (RLP) und 48 Prozent (BW) der Wahlberechtigten durch kein Parlament vertreten.
Quo vadis Demokratie?
Dass solche Wahlergebnisse an sich irrational sind und die sachorientierte Demokratie ausblenden, liegt auf der Hand. Die gezählten Wahlergebnisse beruhen auf irrationalen Entscheidungen der Wähler. Letztere orientieren sich vermehrt an medial in Szene gesetzte Gallionsfiguren. Das können z.B. Merkel, Biden oder Selenskyj sein. Auf der anderen Seite stehen die angeblichen Schurken wie z.B. Trump,Lukaschenko oder Putin. Jeder der Namen ist einer irrationalen Einheit zugeordnet. Diese wird mit keinem sachlichen Inhalt in Verbindung gebracht, sondern mit einer irrationalen Wertung, die man sachlich nicht weiter begründen kann. Das betrifft vor allem die verschiedenen Gewichtungen von guten oder schlechten Argumenten.
Zudem kommt es darauf an, wer die Argumente anspricht. Ob Brinkhaus (CDU) oder Wagenknecht (LINKE), das bleibt ein Unterschied. Ein ähnlicher Kodex gilt im Rat der Stadt Cloppenburg., z.B. Schöer versus Bornemann. Und weil Argumente zur Begründung nicht mehr gewichtet werden, sondern personalisierte Einheiten, ist der demokratische Prozess bereits jetzt unterlaufen. Wenn also Polarisierungen von irrationalen Einheiten an die Stelle sachlich kritischer Diskurse rücken, dann ist der demokratische Verfall bereits weit fortgeschritten.
Diese volksverblödende Polarisierung in der Bildungsrepublik Deutschland ist nur dadurch möglich, weil rationale Informationen übergangen werden. Vor allem die wenig konkreten Partei- bzw. Wahlprogramme helfen, irrationale Einheiten zu begünstigen. Getrieben aus der Not heraus, die politische Ohnmacht zu verbergen, bleibt der Politik mit einem wachsenden Personalbestand von gesellschaftsfernen Aufsteigern auch nichts anderes übrig. Letztlich wird zwar das Christliche, Soziale oder Grüne in Szene gesetzt, aber in der realen Politik nicht oder nur rudimentär umgesetzt. Letzteres bestenfalls deshalb, um überhaupt koalieren zu können.
Parteiprogramme sind Paradebeispiele für das alltäglich untergejubelte Informationsdefizit mit einem ausgeklügelt manipulativem Framing ganz im Sinne der politischen Hierarchie. Es untergräbt rationale Entscheidungen und zu guter Letzt die Demokratie selbst, die zwingend auf rationale Informationen angewiesen ist. (23)
Es mag so bleiben, wie es war
„Da steh ich nun” (24) und „(…) kann nicht anders.“ (25) Varnhorns CDU-Wahlprogramm kann also nur Varnhorn heißen. Hierbei bleibt das System CDU unangetastet. Die tatsächlichen Wünsche aller (!) Cloppenburger Bürgerinnen und Bürger dürften ihm egal sein. Die Ergebnisse des Dialogaufrufs eigentlich auch. Der Schein aber verbietet Letzteres. Während die SPD/GRÜN-Bürgermeisterkandidatin, Christiane Priester, ihrer Gemeinde noch via Facebook zuprostet (26), ist CDU-Kandidat Varnhorn bereits einen Schritt weiter. Er ist auf dem besten Wege, die Deutung des Demokratie-Begriffs nun selbst in die Hand zu nehmen.
Mit seinem Aufruf zum Bürgerdialog setzt er sich medial als ausgewiesener Freund der Bürgerinnen und Bürger in Szene. Er rückt sich in Licht des lupenreinen Demokraten, der er aufgrund seiner parteilichen Abhängigkeit in Reinform aber gar nicht sein kann. Zuletzt wird ihm nichts anders übrig bleiben, als den Demokraten Varnhorn auf das irrationale Synonym Varnhorn zu reduzieren. Schließlich will er sich nur als Person wählen lassen, da seine Ergebnisse des Bürger-Dialogs nur selektiv sein können. Kritische Themen müssen außen vor bleiben. Nötig wären zunächst Veränderungen in der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kultur, damit endlich auch andere Meinungen ins Blickfeld rücken. (27) Aber das ist wohl nicht gewollt.
Dass Varnhorn die explizit „besseren Ideen für Cloppenburg“ ausschließlich mit Hilfe gleichgesinnter Kreise finden kann, unterstreicht das Verhohlene der Dialog-Aktion. Aber solange das die Mehrheit der Angesprochen nicht merkt, ist das egal. Nach Varnhorns möglicher Wahl schließt sich der Sack und alles wird im Grunde so bleiben wie es war, auch wenn das Synonym Wiese durch das Etikett Varnhorn ausgetauscht wurde. Und das nach dem modifiziert abgedroschenen Werbe-Slogan, „So bekommt man vergilbte Wäsche wieder schwarz!“. Das System CDU ist gerettet.
Ganz im Sinne des verdrehten Diversitäts-Begriffs (28) wird Cloppenburg dann weiterhin die „autofreundliche“ Fahrradstadt bleiben! (29) Basta! Zum Entsetzten der Anwohner in der Kirchhofstraße! Es sei denn, der CDU-Kandidat Varnhorn stellt das konservative Moment seiner Partei grundlegend infrage. Aber auch das ist egal. Denn dieser Wert ist der gesamten CDU zugunsten einer populistisch abgedroschenen Mitte bereits vor Jahren abhandengekommen.
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