slogan_bot-b
Leiste-H-01
IBC-Wahl-Logo-16-10cklein

___________________________________________________________

Corona-Egoismus-Populismus

 

Cloppenburger Stadtrat lehnt Teilverzicht auf Mandatszahlungen ab

 

Das Ende der Solidarität

 

HFB 20-09-27

___________________________________________________________________

 

 

Aufgrund des wirtschaftlichen Lockdowns während der Corona-Krise sind es nicht nur die Unternehmen und Ich-AGs, die vor einem finanziellen Desaster stehen, sondern auch die Kommunen, denen die Steuereinnahmen auf kurz oder lang wegbrechen. Aus diesem Grund hat die Stadt Cloppenburg eine Streichliste vorgestellt, die im Haushalthalt 2021 ca. 6 Millionen Euro Einsparung vorsieht. In dieser Liste fehlt die angemessene Selbstbeteiligung der ehrenamtlichen Ratsmitglieder, deren Einkünfte bei jährlich mehr als 200.000 Euro liegen.

 

[Ein erstes Meinungsbild aus dem Jahr 2014 finden Sie HIER!]

[Den Originalantrag finden Sie am Ende dieses Meinungsbildes]

 

 

Abgesprochen wurde diese Liste zwischen Verwaltung und Fraktionsvorsitzenden hinter verschlossenen Türen. Fraktionslose Ratsmitglieder wurden zu einer solchen Absprache nicht geladen. Die Streichliste wurde in der Ratssitzung am 20. Juli 2020 beschlossen.

ST-MT-Mieser-Populismusvorwurf-Headline20-01b

MT, 21.07.2020

Kritik an dieser Liste war von den Fraktionsvorsitzenden und dem Bürgermeister nicht erwünscht. Im Gegenteil: Man war sich nicht zu schade, die vorgetragene Kritik, der ein Ergänzungsantrag folgte, mit moralisierenden Verbiegungen wie aus dem Lehrbuch der heuchelnden Politik niederzumachen. Auch der Bürgermeister gab sich als Komplize einer solchen Verbiegung, die mit dem Kommunalverfassungsgesetz nicht in Einklang zu bringen war, zu erkennen. Wer bisher noch glaubte, die Politiker seien diejenigen, die vorwiegend die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten, der musste sich nun eines Besseren belehren lassen. Dass die allgemeine Politikverdrossenheit hierdurch erneut einen kräftigen Schub erfuhr, war für die demonstrativ Empörten kein Thema. Echt Cloppenburg?

ST-MT-Mieser-Populismusvorwurf-Moralbewertung-20-01

Das, was der Bürgermeister hier fordert, ist etwas ganz Neues. Keine Partei war bisher verpflichtet, mit einer anderen Partei etwas abzusprechen. Ein Antrag darf jeder Zeit gestellt werden. Es ist eher heuchlerisch, die moralische Empörung in den Vordergrund zu stellen. Damit geht es nicht mehr um den eigentlichen Antrag. Der Einwand des CDU-Bürgermeisters, der mit den übrigen Fraktionen fast nichts abspricht, ist nicht mehr geprägt von Sachlichkeit, sondern von hitziger Empörung. Er will in der Sache nicht überzeugen, sondern nur Recht haben. Diese Art von politischer Unkultur ist nur allzu bekannt. Den Bürgerinnen und Bürgern -den Steuerzahlern- hilft so etwas nicht weiter. (MT, Bergmann erntet massive Kritik im Rat, 21.07.2020).

Um vorweg eines richtig zu stellen: Nicht alle Ratsmitglieder sind der Meinung der Mehrheit im Rat und stimmen dennoch mit ihrer Fraktion. Das mag daran liegen, dass aufgrund des Fraktionszwangs der Druck enorm ist und nicht jeder die Kraft hat, diesem zu widersprechen. Aber haben wir überhaupt noch Politiker mit Rückgrat?

Mit Beitritt in die CDU-Fraktion hat jedes Fraktionsmitglied ein Papier zu unterschreiben, in der die Bedingungslose „Gefolgschaft“ vertraglich festgelegt wird. Für diejenigen, die kein Mitglied der CDU sind, kann das zu eheblichen Inkohärenzen führen. Zu einem psychisch labilen Umstand, mit dem nicht zu spaßen ist. Dass mit dieser verbindlichen Unterschrift die Grundsätze des § 60 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes mit Füßen getreten werden, scheint keinen zu interessieren.

In der Kommunalverfassung heiß es dagegen: „Zu Beginn der ersten Sitzung nach der Wahl werden die Abgeordneten (…) förmlich verpflichtet, ihre Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen unparteiisch wahrzunehmen (…).“ Und es sollte allgemein bekannt sein, dass Gesetze einzuhalten sind. Doch wo kein Kläger, da auch kein Richter!

Ãœber den Antrag, der die Ratsmitglieder aufgrund der Corona-Krise zur solidarischen Beteiligung an der vorgelegten Streichliste aufforderte, wurde schließlich in der Ratssitzung am 21. September abgestimmt. Das Ergebnis war natürlich nicht überraschend. Es lautete: Mit „überwältigender“ Mehrheit abgelehnt (NWZ, Rat will nicht auf Geld verzichten, 23.09.2020)! Bei der Abstimmung gab es weiterhin eine Stimme dafür und zwei Enthaltungen.

Interessant war aber ein Phänomen, welches so noch nie zu beobachten war: Nach dem ausführlichen Vortrag über Inhalt, Sinn und Zweck des Antrages blieben die sonst üblichen Wortmeldungen aus. Anscheinend gab es keine Argumente dagegen, die man in der Öffentlichkeit vortragen wollte. Doch das war ein abgekartetes Spiel. Das Ergebnis einer Absprache hinter verschlossenen Türen! Um die üppigen Einkünfte für das Ehrenamt nicht einschränken zu müssen, hielten die Cloppenburger Volksvertreter lieber den Mund. Angst vorm Wähler? Wer hier nicht auf Linie war, wurde angewiesen, mit NEIN zu stimmen! An den Bürgerinnen und Bürgern vorbei!

Wenn dann in der Münsterländische Tageszeitung gar nicht über den Beschluss des Rates berichtet wird, so ist das selbstverständlich als freie Entscheidung der Reaktion zu akzeptieren. Brisant wird es allerdings dann, wenn diese Entscheidung das Ergebnis einer Absprache zwischen Redaktion und Politik sein sollte. Aus Erfahrung liegt es nahe, dass sich der Lokaljournalismus wiederum mit einer Sache -ob einer guten oder schlechten- gemein macht (vgl. Hanns -Joachim Friedrich, Journalistenleben, 1994). „Manche Journalisten haben eben ihre Lieblinge“, hört man imm wieder in Cloppenburg.

Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass ein Teil der Lokalpresse zur Wahlplattform eines neoliberalen Claqueurs geworden ist, der als Sozialdemokrat verkauft wird. Damit erweist die Presse ihren nahestehenden „Bekannten“ in der Politik eine privilegierte Dienstleistung ohne gleichen, wobei sie doch sachlich, ausgewogen und neutral berichten sollte. Verkehrte Welt? Ja, denn die ist inzwischen die neue Normalität im Schatten zwischen Kirchturm und Rathaus. Zu vernehmen besonders dann, wenn es um persönliche Befindlichkeiten eines politischen Sprinters oder um mehrerer „Rathausbewohner“ gleicher Couleur geht.

Noch brisanter wiegt allerdings die Falschberichterstattung in Form eines giftigen Zusatzes. In der Onlineausgabe der NWZ wurde doch tatsächlich behauptet, der Antrag ziele darauf ab, auch der freiwilligen Feuerwehr die Zulagen zu kürzen (NWZ-Online, Rat will nicht auf sein Geld verzichten, 23.09.2020). Was war das Ziel dieser böswilligen Falschbehauptung? Sollte Antragsteller der IBC auf hinterhältigste Art und Weise diskreditiert werden? Dieses Ansinnen hatte nicht lange Bestand. Der verantwortliche Redakteur wurde von der Chefredaktion in Oldenburg zur Rede gestellt, musste klein beigeben und den Onlineartikel korrigieren. Es gibt also noch die Presse, die ihre Standards pflegt. Doch die findet man in den Cloppenburger Redaktionen leider nicht durchgehend.

ST-NWZ-Online-Rat-CLP-Geldverzicht-20-02

NWZ-Online, 23.09.2020

In allen Kommunen bekleiden Mandatsträger*innen genaugenommen ein unbezahltes Ehrenamt. Für mögliche Aufwendungen werden ihnen Mandatszuwendungen gezahlt, die nicht mit Arbeitslöhnen zu verwechseln sind. Die Höhe dieser Zahlungen regeln die Satzungen der jeweiligen Kommunen. (vgl. Ratsinfo der Stadt Cloppenburg/Ortsrecht--Satzungen). Der aktuelle Antrag kritisiert die Cloppenburger Mandatszuwendungen, die nicht unerheblich sind und aktuell die Folgen der Coronakrise missachten.

Das politische Ehrenamt wird in Cloppenburg mit mindestens 1.500 Euro und aktuell in den oberen Bereichen mit ca. 12.500 Euro pro Person (Mandat) und Jahr vergütet. In der Doppelfunktion als Rats- und Kreistagsmitglied können diese Beträge auch doppelt so hoch ausfallen. Wohlgemerkt für ein Ehrenamt, deren Finanzierung der Cloppenburger Rat in eigener Sache 2014 um 66% erhöht hat (NWZ, Sitzungsgelder um 66 Prozent erhöht, Massive Steigerung von CDU/FDP und SPD beschlossen-UWG, Grüne und Zentrum dagegen, 2014)!

ST-Sitzungsgelder-um-66 Prozent-erhoeht-20-01

NWZ, 2014

Aktuell kosten dem Steuerzahler die Ratssitzungen jeweils 1900 Euro und mehr. Eine Fraktionssitzung der CDU-Fraktion wird z.B. mit 900 Euro, die der SPD-Fraktion mit 400 Euro veranschlagt. Für „öffentliche“ Fraktionssitzungen scheint –falls anschließend Mandatsgelder beantragt werden- dasselbe zu gelten, obwohl sie unter diesem Deckmantel natürlich Wahlwerbeveranstaltungen sind. Aber der Steuerzahler finanziert ebenfalls Parteisteuern, die jeder Abgeordnete in Höhe von ca. 20 bis 25 Prozent zu entrichten hat. Parteien sind ohne immer knapp bei Kasse. Besonders in Wahlkampfzeiten werden erhebliche Finanzmittel benötigt. Auch hier kann man sich keine Ausfälle mehr leisten, z.B. minus 30 Prozent. Solidarität in Coronazeiten? Nein, das wollen auch kleine und große Parteien nicht! Was an öffentlicher Zustimmung fehlt, wird durch immer teurere Wahlwerbung einzukaufen versucht!

Wer denkt, die Mandatsträger hätten durch die Zahlung von Parteisteuern Nachteile, der irrt. Die Parteisteuer –auch Schutzgeld genannt- wird bei der Lohnsteuer als Spende behandelt und bleibt somit eins zu eins beim Spender. Trotz üppiger Förderung kassieren die Parteien auf allen Ebenen von ihren Mandataren zusätzlich noch ab. Doch man redet nicht darüber (Die Presse-Online, Viel geliebte Parteien: Wenn die Steuerzahler zwei Mal zahlen, 06.12.2019).

Die Höhe der Vergütung wird von den Nutznießern selbst beschlossen. Im Jahr 2015 hat das niedersächsische Innenministerium einen solchen Beschluss wieder einkassiert. Nach Meinung des Innenministeriums war der Betrag unangemessen hoch angesetzt. (NWZ-Online, Ministerium kritisiert Beschluss, 21.11.2015). Kurzum wurde eine Korrektur angeordnet. Bereits damals machte sich ein Geruch von Selbstbedienung breit.

ST-NWZ-Ministerium-kritisiert-Beschluss-15-01

Im Jahr 2014 fasste der Rat mit den Stimmen der CDU und SPD den Beschluss, seine Mandats- zuwendungen um sage und schreibe 66 Prozent zu erhöhen. Eine Steigerung, die mit der allgemeinen Lohnentwicklung nicht in Einklang zu bringen war. Die Maßlosigkeit der Steigerung schoss dermaßen durch die Decke, dass sich im Jahr 2015 das Ministerium einschalten musste. Es wurde angeordnet, die Mandatsgelder auf ein angemessenes Niveau anzuheben (MT, Ministerium kritisiert Beschluss, 02.11.2015).

Aber auch die zwei Phasen des öffentlichen Umgangs mit dem betreffenden Antrag sind zu kritisieren. Zunächst war lautstark von „miesem Populismus“ die Rede, dann hüllte man sich in demonstratives Schweigen. Offenbar hat man immer noch nicht verstanden, wie Demokratie funktioniert. Sie funktioniert im Miteinander durch Diskussion, angeführt von autonomen Abgeordneten, die den Einsatz als „Stimmvieh“ in größeren Fraktionen des Cloppenburger Rates niemals akzeptieren würden. Schon gar nicht ist der autonome Abgeordnete irgendeiner „fremden“ Fraktion Rechenschaft schuldig. Das aber wurde eingefordert. Allen voran vom Bürgermeister persönlich. Vergessen wir hierbei, dass sich der Rat der Stadt Cloppenburg nicht zu einem Kaffeekränzchen trifft, welches die Harmonie in den Mittelpunkt stellt. Und hundertsten Male grüßt die alte Tante Berta aus Wanne-Eikel!

Mittlerweile ist der Schmusekurs, der vor allem von einer ausgedünnten und schwachen SPD-Fraktion gesucht wird, zur Normalität der Cloppenburg Politik geworden ist. Man versteht sich! Demonstrativ! Die irrige Annahme hierbei ist, dass der eigentliche Wählerauftrag aus dem Blick gerät, da Meinungsvielfalt weder gepflegt noch akzeptiert wird. Das könnte neben der SPD auch der UWG, den GRÜNEN und dem mit der CDU frisch verlobten SOZIALLIBERALEN CLOPPENBURG schwer auf die Füße fallen (NWZ, Albers und Pauly gehen für die CDU ins Rennen, 24.09.2020).

Wenn der Wähler nicht mehr zählt, er das merkt und das „Kaffeekränzchen“ das normale Politikgeschehen in „enger“ Runde bestimmt, dann bleibt die Wahlurne für die Opposition eben leer. Wer ausschließlich Punkt und Komma der politischen Inhalte kritisiert, die von Bürgermeister (CDU) und Verwaltung, und damit von der Cloppenburger CDU bestimmt werden, und nach vier Jahren der Ratsperiode noch immer keinen Bürgermeisterkandidaten vorweisen kann, der sollte sich nicht als Opposition oder als etwas Ähnliches bezeichnen. Warum soll man in Zukunft nicht sofort das Original, die CDU, wählen? Noch Fragen?

Demokratie? Durch Dissens und Meinungsvielfalt garantiert? Nein Danke! Es lebe die Demokratie, solange sie passt. Und es passt natürlich nicht, durch Verzicht all denjenigen Bürgerinnen und Bürgern öffentliche Solidarität zu demonstrieren, die durch den Lockdown der Corona-Krise hart getroffen wurden. Mit “überwältigender” Mehrheit!

Nein, sich auf Einsparungen öffentlich einzulassen, die den Verzicht von Mandatszuwendungen einfordern, das will man partout nicht. Der hermetische abgeriegelte Echoraum in den Köpfen der „Harmoniker“ macht es möglich. Und jeder, der diesen Raum noch aus eigenem Antrieb verlassen kann, wird wiederum in die reale Welt eintauchen können, die der Politik so fremd geworden ist. Man gibt zwar vor, diese Welt zu kennen. Im Grunde aber hat man sie mit all ihren Zusammenhängen nicht verstanden. Vielmehr werden Ängste und Probleme der Menschen missachtet, über die man politisch richtet. Diese Richtersprüche geben sich vermehrt durch neoliberale Beschlüsse, Satzungen oder Verordnungen zu erkennen, die einzelnen Bürgern auch mal schnell mehrere zehntausend Euro kosten können. Egal, es gibt ja noch die Tafeln!

Wer bisher auf eine sozialere Kommunalpolitik hoffte, wird nach vier Jahren der laufenden Ratsperiode etwas anderes feststellen müssen und schwer enttäuscht sein. Die Cloppenburger Sozialdemokratie ist spätestens seit der letzten Kommunalwahl tot. Es lebe das Etikett!

Das was der Lockdown der Corona-Krise angerichtet hat, nimmt die Politik zwar zur Kenntnis, mehr aber auch nicht. Verständnis für die komplexen Zusammenhänge fehlen oder sie werden schlichtweg beiseitegeschoben. Andernfalls könnten den „Rathausbewohnern“ Privilegien abverlangt werden, die sie partout nicht aufgeben wollen. Nein, soweit soll es niemals kommen. Das ist die Botschaft einer „überwältigenden“ Mehrheit (vgl. NWZ, 23.09.2020) des Rates. Eine Botschaft, deren aktuelle Ausmaße in Coronazeiten nicht einmal die Lokalpresse ernsthaft infrage stellt.

____________________________

Es folgt der Text des Antrags

Dr. Hermann Bergmann

Initiative Bürgerbündnis Cloppenburg

 

 Ratssitzung am 20.07.2020/ TOP 6

  Cloppenburg, den 19.07.2020

 

 

Gemäß § 56 des Kommunalverfassungsgesetzes beantragte die IBC in der Ratssitzung am 20.07.20 folgenden Beschlussvorschlag:

 

Antrag

Im Zusammenhang mit der Liste verschiebbarer Maßnahmen im Haushalt 2020 -Coronakrise- beantragt die IBC eine Ergänzung der Satzung der Stadt Cloppenburg über Aufwandsentschädigung, Verdienstausfall sowie Fahrt- und Reisekosten der Mitglieder des Rates der Stadt und sonstiger ehrenamtlich Tätiger sowie über Zuwendungen an Fraktionen und Gruppen vom 19.09.2016 in der Fassung des 3. Änderungsbeschlusses vom 29.04.2019. Sie wird dahingehend geändert, dass die Cloppenburger Ratsmitglieder im Falle möglicher haushaltwirtschaftlicher Folgen des Corona-Lockdowns sowie als öffentliches Zeichen der Solidarität mindestens ein Kalenderjahr auf 30 % ihrer Aufwandsentschädigungen verzichten. Somit wären jährliche Einsparungen zwischen 50.000 Euro und 60.000 Euro möglich.

 

 

Begründung

Aufgrund zu erwartenden Mindereinnahmen durch den wirtschaftlichen Lockdown in der Corona-Krise wurde eine Liste verschiebbarer Maßnahmen für den Cloppenburger Haushalt besprochen und zusammengestellt. Die Zusammenstellung dieser Liste wurde ausschließlich zwischen Fraktionsvorsitzenden und Verwaltung ausgehandelt und in der Ratssitzung am 20. Juli 2020 zur Beratung vorgelegt. Nicht nur am Zustandekommen der Liste gibt es Kritik, sondern auch am Inhalt, die ein Einsparvolumen von ca. 6 Millionen Euro vorsieht. Mit dieser Liste ruft die Politik im Falle von Steuerausfällen zum drastischen Sparen auf. Doch hierbei hat sie vergessen, dass auch Politik einen solidarischen Beitrag leisten kann. Doch von letzterem ist man im Rathaus nicht so begeistert.

 

Zustand der Wirtschaft nach dem Lockdown

Wie bekannt, stellte der Bundestag am 25. März 2020 eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fest. Das Bundesgesundheitsministerium konnte somit entsprechend dem am 27. März 2020 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bundesweit und ohne Zustimmung des Bundesrates Anordnungen im Gesundheitswesen treffen. Neben der Schließung von Schulen, Kitas und weiteren Einrichtungen – wie z.B. die 940 Tafeln in Deutschland- folgte der Lockdown. Gewerbe, Produktion und freiwillige Hilfen brachen ein oder kamen völlig zum Erliegen. Viele Menschen erhioelten entweder keine Unterstützung mehr, z.B. durch die Tafeln, wurden in Kurzarbeit geschickt oder verloren nach kurzer Zeit ihre Arbeitsstellte. Nachdem z.B. die Tafeln wieder geöffnet waren, erfolgte ein deutlichstärkerer Andrangvon Bedürftigen als vor Corona, der auf bis zu 50 Prozent geschätzt wird. (1) Mit dem Wegfall von Lohnzahlungen waren Familien und Alleinstehende gezwungen, deutlich kürzer zu treten. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des Corona-Lockdowns hat z.B. fast die Hälfte der Kassiererinnen und Kassierer den Schutz des Tarifvertrags verloren. Real wird weniger verdient als zuvor. (2) Aber auch die neuerlichen Zahlen der Kurzarbeiten könnten nach Willen der Bundesregierung weiterhin Bestand haben, wobei nun die Arbeitgeber warnen, dass bald über Entlassungen statt Kurzarbeit nachgedacht werden müsse. (3)

Nunmehr steigt sogar die Arbeitslosigkeit der Pflegekräfte. (4) Am allgemeinen Arbeitsmarkt mussten sich von knapp 21,6 Millionen Vollzeitbeschäftigten Ende 2019 knapp 4,1 Millionen Personen oder 18,8 Prozent mit einem Niedriglohn begnügen. (5) Von den allgemeinen Arbeitsbeschränkungen besonders betroffen ist das Oldenburger Münsterland. Aufgrund des extensiven Niedriglohnsektors treffen die Auswirkungen des Corona-Lockdowns diese Menschen besonders hart. Viele Geringverdiener rutschen jetzt in die Hartz-IV-Bedürftigkeit, und mit ihnen ihre Familien.Allein nach dem Oster-Wochenende sind z.B. beim Hamburger Jobcenter mehr als 2000 neue Anträge eingegangen. Inzwischen aber werden Menschen zu Hartz-IV-Empfängern, denen es vor Corona eigentlich gut ging. (6)

Ebenfalls hart getroffen sind die mittleren Einkommensschichten. Z.B. konnten Kredite für den Kauf von Autos oder für die Abbezahlung des Eigenheimes nicht mehr bedient werden.Das hat ebenfalls Folgen für die Kreditwürdigkeit der Banken in Deutschland. Diese könnte laut einer Analyse der Ratingagentur Fitch bald heruntergestuft werden. Da in sicheren Zeiten keine stabilen Geschäftsmodelle aufgebaut wurden, sind die drohenden Kreditausfälle in der Corona-Krise verheerend. (7)

Um sich über Wasser zu halten, werden Banken in naher Zukunft vermehrt über die Entlassung von Personal nachdenken müssen. Weitere Wirtschaftszweige in Deutschland werden gezwungen sein, den Abbau von Arbeitsplätzen in Erwägung zu ziehen, um eine drohende Insolvenz zu vermeiden. Am Ende wird die Aussetzung der Pflicht zur Insolvenzanmeldung nicht helfen. Die Banken müssen Corona gestundete Kredite zunächst nicht als Kreditausfall in ihren Büchern abschreiben Doch die Aufhebung der Meldepflicht bleibt ohnehin zeitlich begrenzt. Faktisch werden die drohenden Insolvenzen nicht ausgesetzt, sondern einfach in die Zukunft verschoben. (8)

Das Einkommensproblem der Arbeitnehmer*innen wird sich also noch verschärfen. Dass der Anstieg der Arbeitslosenzahlsaisonal bedingt sei (9), kann also nicht wirklich beruhigen. Viele Menschen sind aufgrund der staatlichen Lohnaufstockungen nur noch auf dem Papier in Vollbeschäftigung oder überhaupt beschäftigt. Die privat-wirtschaftlichen Folgen der Anti-Corona-Maßnahmen werden 2021 also nicht ausbleiben.

Die Verbraucher sind bereits jetzt verzweifelt. So verzeichnen die Schuldnerberatungen europaweit deutlich mehr Anfragen. Laut Experten droht bereits im kommenden Herbst eine Welle von Privatinsolvenzen. (10) Dass nun vermehrt Menschen unter Existenzängsten leiden, ist nicht verwunderlich. Depressionen, Sucht, Verhaltensstörungen. So zählen mittlerweile psychosomatische Ursachen zu den häufigsten Ursachen für Krankschreibungen im Beruf. Pro Jahr müssen 75 000 Menschen aufgrund psychischer Probleme in Vorruhestand. (11) Die Corona-Maßnahmen dürften diesen Trend verschärft haben.

Zwar versucht die Europäische Union sowie weitere Staaten die drohenden Pleiten durch ein massives Kreditprogramm zu stoppen, doch die Folgen der damit ausgewiesenen Verschuldung werden verheerend sein. Selbst der Internationale Währungsfonds spricht von einer „Krise wie noch nie“. (12) Inzwischen liegen die Schulden bei mindestens 250 Prozent vom Weltsozialprodukt. Tendenz steigend. (13) Dass diese Schulden niemals wieder zurückbezahlt werden können, liegt auf der Hand. In naher Zukunft werden Steuereinbußen und Corona-Hilfen Löcher in die Staatskassen reißen. Um diese zumindest wieder teilweise zu stopfen, fordert der Sozialverband VdK jetzt eine einmalige Vermögensabgabe. (14) Dennoch sehen einige Experten eine Jahrhundertrezession, „den schlimmsten Wirtschaftsabsturz der Neuzeit“ kommen.(15)

 

Haushaltspolitische Folgen für die Stadt Cloppenburg

Da sich ein massiver Einbruch der Gewerbesteuer ankündigt, werden Städte und Gemeinden ihre zukünftigen Haushalte zusammenstreichen müssen. Letztlich führen politischen Haushaltsbeschlüsse zu Kontroversen, da Begehrlichkeiten nicht lange auf sich warten lassen. Ansprüche der „guten“ Jahre, in denen unterm Strich nicht gespart wurde, indem die Politik auf üppige „freiwillige Leistungen“ nicht verzichten wollte, würden weiterhin als selbstverständlich gelten.  

Nach öffentlicher Vorstellung der Streichliste am 20. Juli 2020 hat die Politik ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ein angemessen solidarischer Beitrag der Politik ist in dieser Liste nicht zu finden. Hat es eine Veröffentlichung dieser Liste gegeben?

Mandatsträger*innen bekleiden ein unbezahltes Ehrenamt. Für mögliche Aufwendungen werden ihnen Mandatszuwendungen gezahlt, die nicht mit Arbeitslöhnen zu verwechseln sind. Das regelt eine Satzung vom 29. April 2020. Die Mandatszuswendungen sind nicht unerheblich. Dieses Cloppenburger Ehrenamt wird mit mindestens 1.500 Euro und aktuell mit maximal mit 12.500 Euro pro Person und Jahr vergütet. Wohlgemerkt für ein Ehrenamt, deren Finanzierung im Jahr 2015 um 66% erhöht wurde! Die Höhe der Vergütung wird von den betroffenen selbst beschlossen. Im Jahr 2015 hat das niedersächsische Innenministerium einen solchen Beschluss des Cloppenburger Rates einkassiert, weil er unangemessen hoch angesetzt war. (16) Damals machte sich ein Geruch von Selbstbedienung breit. (17)

Um die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, muss Solidarität mit den hart getroffenen Bürger*innen gezeigt werden. In der besagten Streichliste sollte auch die Cloppenburger Politik zu finden sein. Konsequente Kürzungen im öffentlichen Ausgabenbereich wirken nur dann überzeugend, wenn auch die Vorbildfunktion demonstriert wird. Wenn viele Menschen unter Lohnkürzungen – einige unter totalem Jobverlust- leiden, sie nunmehr von Existenzängsten begleitet werden und zugleich öffentliche Einsparungen auf der Tagesordnung stehen, die den Menschen öffentliche Leistungen (auch in der Daseinsfürsorge) kürzen, warum sollen nicht auch Ratsmitglieder ihren Teil zur Entspannung der Lage dazutun, indem sie Vorbilder werden und zur Einsparung der öffentlichen Ausgaben beitragen? Ein überzeugender Beitrag ist die zeitlich begrenzte Verzicht auf 30 Prozent der Mandatszulagen, der als starkes Zeichen der Politik zu sehen ist und zugleich eine Einsparung der öffentlichen Ausgaben von bis zu 60.000 Euro einbringt.

_____________________

Quellen

(1) NDR, Wegen Corona: Mehr Menschen nutzen die Tafeln, 17.06.2020.

(2) Süddeutsche Zeitung, Tarifvertrag wird zur Ausnahme, 08.08.2020

(3) Frankfurter Allgemeine, Arbeitgeber warnen: Bald Entlassungen statt Kurzarbeit, 24.08.2020.

(4)WELT Online, Jetzt steigt sogar die Arbeitslosigkeit von Pflegekräften, 24.08.2020.

(5) Portal Sozialpolitik , Vollzeitbeschäftigte mit Niedriglohn in den Kreisen und kreisfreien Städten, Niedriglohnquoten 2019, 04.09.2020.

(6) Focus Online, Wegen Corona plötzlich Hartz-IV-Empfänger: "Es sind Leute, denen es eigentlich gut ging", 25.08.2020.

(7) Focus-Money Online, Doppelt so hohe Verluste wie in FinanzkriseGespenst ausfallender Kredite geht um: Deutschlands

Banken sehen dunkelrot, 17.08.2020.

(8) Finanzmarktwelt, Wie die globale Wirtschaftskrise „weg-regiert“ und „weg-gedruckt“ wird, 11.08.2020.

(9) NWZ–Online, Arbeitsmarkt im Oldenburger Münsterland, Saisonaler Anstieg der Arbeitslosenzahl, 02.09.2020.

(10) FAZ, Im Herbst droht eine Welle von Privatinsolvenzen, 10.08.2020

(11)Abendzeitung (München),Psychisch krank in den Vorruhestand Depressionen, Sucht, Verhaltensstörungen: Pro Jahr müssen 75 000 Menschen wegen der Psyche in Vorruhestand 29.01.2014.

(12) Nachrichtenspiegel, Covid-19 zündet die Lunte auf den Schuldenmärkten an, 26.08.2020.

(13) Focus Online, Gabor Steingart, Unsere Welt hat ein 250-Billionen-Dollar-Problem und die Politik redet nicht darüber, 17.06.2019.

(14)  RTL, Reiche sollen Deutschland aus der Krise helfen. Corona-Pandemie: VdK fordert Vermögensabgabe als "Akt der Solidarität" gegenüber Krisenverlierern, 12.08.2020.

(15) Rubicon, Die Jahrhundertrezession. Die Corona-Lockdowns verursachen wahrscheinlich den schlimmsten Wirtschaftsabsturz der Neuzeit, 11.08.2020. 

(16) NWZ-Online, Ministerium kritisiert Beschluss, 21.11.2015                                                                                                                                                           (17) NWZ, Kommentar MENSING, Kräftiger Schluck, 2015.                                                   

___________________

 

.