Neue Umfragewerte deuten auf eine Verschiebung der politischen Konstellation nach der Wahl hin, (05) sind aber mit Vorsicht zu betrachten. Zwar liegt die Union mit über 30 Prozentpunkten an der Spitze aller Umfragen, dennoch sind laut Wahlrechtsreform CDU und CSU getrennt zu betrachten. Falls die CSU bei realistischen 5 Prozent liegt, blieben für die CDU nur noch 25 Prozentpunkte. Ihr Abstand zur AfD betrüge somit ca. 3 Prozentpunkte! Mehr ein Drittel der Wähler haben sich noch nicht entscheiden können, welchen Kandidaten und welche Partei sie bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 wählen sollen. (06)
Zwar gibt es ausführlichste Informationen in den Medien analoger und digitaler Art. Neben den vielen unterschiedlichen Meinungen mögen aber auch die Parteiprogramme eine Hilfe sein. Doch die sind in ihrem Wortreichtum so dermaßen „überdimensioniert schwammig“, dass sie kaum verstanden werden. Dennoch bilden sie eine gewisse Hilfe bei den Wahlentscheidungen. Nein, nicht die aktuellen Wahlprogramme, sondern die hochgradig toxischen aus dem Jahr 2021. Diese zeigen, was die Wahlversprechen wirklich wert sind. An ihren Taten werdet ihr sie messen können. Und so sollte es auch sein.
Zweitstimme mächtiger als zuvor
Nun ist es an der Zeit, den politischen Hohlphrasenexpress wieder zum Laufen zu bekommen. Also: "The same procedure as every year of elections“. Unter der Prämisse, dass sich aufgrund der Wahlrechtsreform die 299 deutschen Wahlkreise von 736 nicht auf effektive 299, sondern auf 630 Plätze im Bundestag beschränken müssen. (07) Ganz ohne Volksabstimmung werden nur (sic) mehr als 100 Mandatsträger eingespart, wobei die Parteienmacht durch die Zweitstimme (08) zementiert wird. Zum Nachteil von Direktmandaten. (09) Bei einer Abgeordnetenentschädigung in Höhe von 11.227,20 Euro, einer monatlich steuerfreien Kostenpauschale in Höhe von 5.349,58 EUR und möglichem Pensionsansprüchen von 65 Prozent der Bezüge nach 26 Jahren der Mandatstätigkeit, ist es zu verstehen, möglichst unverbindliche Statements unters Volk zu bringen. (10) Nur um nicht angreifbar zur werden für widersprüchliche „Versprechen“, die niemals zu halten sind. Fachleute? Nein, nur hochbezahlt! Also: „Mehr Geld als Verstand: Wie die deutsche Politik dein Geld verprasst“, lautet demzufolge der Titel der Journalistin und Bestseller-Autorin Nena Brockhaus. Bezüglich der vielen Staatsausgaben hierhin und dorthin fragt sie zu Recht: „Was passiert eigentlich mit unserem Geld?“ (11)
Wer hilft wem?
Und es ist der menschlichen Natur geschuldet, dass aufgrund der üppigen Versorgung der Wahlkampf der meisten Protagonisten vorrangig zu einer Hilfe für diese selbst wird. Nach der Devise, „alle denken an sich, nur ich denke an mich“, verkauft man sich in aller Selbstlosigkeit an die, die ihr eigenes Denken aufgegeben haben, nachdem sie diese in die Hände einer angeblich mächtigen Mehrheit gegeben haben. Dieses sozial wirkmächtige Prinzip machte Dietrich Bonhoeffer zur Grundlage seiner „Theorie der Dummheit“. (12) Einer psychosozialen Wirkeinheit, die weniger durch Bildung als vielmehr durch Orientierung an Werten vermeidbar wäre. Doch die „Cancel-Culture-Bewegung“ hat Letzteren bereits arg zugesetzt. (13) Es wird geglaubt, was auf den Teller kommt! Kein Wunder, dass die öffentliche Stimmung den Bach runtergeht, wobei Sorgen, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit den Alltag vieler Menschen vernebeln.
Und wenn dann noch außerhalb der Blase für „Sichere Renten“ (14) in Höhe von 48 Prozent der durchschnittlichen Bezüge geworben wird, kommt bei vielen Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, die blanke Wut auf. (15) Gesteigert dadurch, dass diese zusätzlich zu versteuern sind! (16) Der massive Vertrauensverlust in die Politik schreitet voran. Gelebte Demokratie sollte anders aussehen!
Wikipedia lässt grüßen
„Deutschland ist in einer Rezession. 2024 ist die Wirtschaft das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Die Deindustrialisierung geht voran, die Zahl der Insolvenzen steigt und Konzerne bauen Jobs ab“. So beschreibt der verantwortliche Redakteur der Münsterländische Tageszeitung, Giorgio Tzimurtas, die wirtschaftliche desolate Lage in seiner Anmoderation zur Befragung der Bundestagskandidaten, die im Wahlkreis 32 – Cloppenburg/ Vechta - angetreten sind. Unter der Headline, „Wie die Parteien der Wirtschaft helfen wollen“, beziehen die „Direktkandidaten im OM (…) Stellung“. Hierbei handelt es sich um Silvia Breher (CDU), Alexander Bartz (SPD), Marius Meyer (Bündnis 90/Grüne), Paul Lanwer (FDP), Sven H. Sager (AfD), Paul Kleine-Klatte (FW) und Uwe Meyer (Linke). (17)
Wer jetzt meint, bei dieser Auswahl und bei so vielen klugen Statements handelt es sich gewissermaßen um die Aussagen prädestinierter Wirtschaftsweiser, der sollte gemerkt haben, dass alles was gesagt wurde, aus einem Guss ist. Nämlich in Form einer Auflistung, wie sie in jedem Wirtschaftslexikon oder bei Wikipedia zu finden ist. Nicht mehr nicht weniger. Nur mit jeweils anderen Worten. Doch von höchstdotierten Volksvertretern darf mehr erwartet werden.
ABC der deutschen Wirtschaft
In der Zusammenfassung könnte es zum Thema „Hilfen für die deutsche Wirtschaft“ also heißen: Die „freie Marktwirtschaft“ (18) setzt im Binnen- und Außenhandelssektor auf niedrige Lohnstückkosten unter der Voraussetzung, dass angemessene Freiräume ohne leistungshemmende Bürokratie, „Technologieoffenheit ohne ideologische Verbote“ und der Ausbau in den Bereichen Mobilfunk und Breitband garantiert werden. Eine funktionierende Wirtschaft ist nur möglich, wenn die Energiepreise (19) und Steuern angemessen sind, die nötige Infrastruktur des Verkehrswesens gut ausgebaut ist, die Kaufkraft der Bürger inkl. die der Rentner aufgrund sicherer und angemessene bezahlter Arbeitsplätze, Altersrenten oder Sozialleistungen gesichert ist. Neue Technologien – nicht nur auf der digitalen Ebene- lassen die „freie Marktwirtschaft“ zukunftssicher werden. Ob sie nun mit den Begriffen „Gründerschutzzone“ oder „Subventionen“ etc. in Verbindung gebracht werden, sind es naturgemäß immer die Anschubfinanzierungen, die Innovationen überlebensfähig machen. Hierzu gibt es viele Beispiele. (20) Zu den Grundpfeilern eines wirtschaftlichen Erfolges zählt selbstverständlich die Bildung, die u.a. die benötigte Zahl von Fachkräften generiert und Industrie und Klimaschutz unter streng wissenschaftlichen Maßstäben ohne ideologische Grundsätze in Einklang bringt. Dass die deutsche Wirtschaft stark von den geopolitischen Verhältnissen - also von den vielen Welthandelsnationen plus EU - abhängig ist, müsste an dieser Stelle eigentlich gar nicht erwähnt werden. Deutschland ist kein Rohstoffland und braucht gerade deswegen eine fein abgestimmte Diplomatie. Gab es diese jemals unter Rot-Gelb-Grün? Aber diese Verflechtungen - und das ist bemerkenswert - haben die Protagonisten des Presseartikels nicht einmal ausreichend gewürdigt. Aus welchen Gründen auch immer.
Dekoratives Wortgeklingel
Dass diese trivialen Grundregeln der Wirtschaft mit allerlei Wortgeklingel nunmehr von Vertretern der Parteien eingefordert werden, die diese seit mehreren Jahrzehnten gestaltet und diese schließlich zu Grunde gerichtet haben, lässt tief blicken. Sie reden über eine marode Wirtschaft, die sie selbst zu verantworten haben. Also Rezession und nichts geht mehr! Die Bundestagskandidaten scheinen zwar alles zu wissen, was eine florierende Wirtschaft ausmacht, haben aber in ihrer teilweise aktiven Rolle genau das Gegenteil bewirkt. (21) Die wirtschaftliche Realität kann nicht einfach schöngeredet werden. Sie hat eine Vorgeschichte. Geprägt von Versäumnissen, Fehleinschätzung und Überheblichkeiten!
Nun schwadronieren die Ortskandidaten darüber, was in Zukunft besser laufen soll. Das Wortgeklingel gehört zur Dekoration des Gesagten wie das Amen in der Kirche. Es erfüllt die Aufgabe, das Gesagte alternativlos zu gewichten. Doch allein daran fehlt vielen Menschen der Glaube. Bilden sie sich doch zunehmend selbstbewusst ihre eigene Meinung, indem sie nun zielgerichteter zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden. Wer also findet den General-Fehler in den vielen Leerformeln der Kandidaten, den weder Gegenwart noch Zukunft offenbaren?
Deutsche Wirtschaft im Fadenkreuz verschiedener Interessen
Eine übergeordnete Grundregel für das Funktionieren einer starken Wirtschaft ist ihre interessengeleitete Orientierung. Geht es solcher um die Menschen oder um die der Mächtigen, vertreten durch die Politik? Geht es also um eine starke Binnenwirtschaft, eine starke Exportwirtschaft oder starke Kriegswirtschaft? Die Antwort ist einfach: Aufgrund des Lohndumpings – Letztere bezeichnet die Diskrepanz zwischen individueller Arbeitsleistung und dem tatsächlichen Wert des verkauften Produkts - kann davon ausgegangen werden, dass nicht die florierende Binnenwirtschaft das Ziel ist, sondern die florierende Exportwirtschaft. „Exportweltmeister” Deutschland wurde bereits mehrmals abgemahnt von US-amerikanischen Präsidenten wie Obama und nun wiederum durch Trump. (22) Die EU – vertreten durch Deutschland – führt fünfmal mehr Waren in die USA ein als die USA nach Deutschland exportiert. Dieser Außenhandelsüberschuss wurde durch exessives Lohndumping (23) gefördert und hat der Wirtschaft des importierenden Staates, also der USA, langfristig enorm geschadet, obwohl ihr BIP an erster Stelle aller Nationen steht. Doch mit deutschen “Billigimporten” soll nun endgültig Schluss sein. So what? Präsident Trump droht mit harten Strafzöllen. (24) Die Sprengung der Nordstream-2-Pipeline (25) sowie die wenig durchdachten Russlandsanktionen gaben der deutschen Wirtschaft bereits den Todesstoß. (26) An beiden Problemen wird nicht gearbeitet. Die Russland-Sanktionen werden weiter verschärft, während an der Aufklärung des Pipeline-Anschlages nicht weiter gearbeitet wird. Diese anhaltende Passivität nehmen die Bürger zur Kenntnis. Mit der Faust in der Tasche!
Auf dem Weg zur Kriegswirtschaft
Nicht nur das: Deutschlands Politik favorisiert mittlerweile die Aufrüstung. (27) Sie beginnt unverhohlen in den Medien, wobei auch immer wieder Kinderseiten bedient werden! Hierbei geben Kommentare, Kolumnen und andere Meinungsartikel ihr Bestes dazu. So dürfen dann auch die Feinbilder Wladimir Putin, Alexander Lukaschenko, Xi Jinping oder Kim Jong-un nicht fehlen. Was Trump nun durch Androhung von „Strafzöllen“ verbieten will, findet seinen Weg in die Kriegswirtschaft (28) inklusiv aller medial konstruierter Stilblüten. (29) Für die Hochrüstung durch Waffen sollen 5 Prozent des BIP angesetzt werden, wobei die Rüstungsunternehmen einen nie dagewesenen Boom nach 1945 erfahren werden. Und diese Unternehmen sitzen vornehmlich in den USA. Also heißt es: „Make America Great Again“ - mit Hilfe Deutschlands und Europa - und der Krieg wird die EU und damit auch Deutschland schneller als gedacht „beglücken“! (30) Wenn der deutsche „Verteidigungsminister der Ukraine“ und der Vorsitzende der Union - wie angekündigt – letztendlich die „Taurus“ gegen die Atommacht Russland schicken, (31) dann wird die Antwort nicht lange auf sich warten lassen. Doch halt: Der NATO-Bündnisfall lässt offen, wer dann wem wirklich zu Hilfe eilt. Denn „(…) wenn innerhalb der kollektiven Verteidigung von einem Bündnisfall – d. h. von einem Angriff auf die Allianz, also auf alle NATO-Mitgliedstaaten – gesprochen wird, gilt nicht automatisch eine Beistandspflicht“. (32) Die vielen Ungereimtheiten im globalen Hochrüsten und die damit implizierten Widersprüche lassen Fragen offen. Muss man wirklich alles glauben?
Demokratischen Diskurs auf Augenhöhe
Von allen diesen Dingen haben die plappernden Bundestagsanwärter nicht gesprochen und werden das in anderen Belangen auch niemals tun. Ihnen scheinen eklatante Widersprüche innerhalb ihrer eigenen Ausführungen nicht aufzufallen, weil sie die Bürger lange Jahre unterschätzt und diese nie für voll genommen haben. Darüber hinaus scheinen ihnen die Grundlagen über wirtschaftlich bedeutende Zusammenhänge völlig unbekannt zu sein. Folglich etabliert sich in der Außenwirkung ein allgemeines Politikerbild, welches der Öffentlichkeit immer heftiger aufstößt. Was aber könnten die Ursachen für so viel Politikversagen sein?
Die Antworten wären vielschichtig. Eine psychoanalytische Antwort auf diese Frage könnte folgende sein: Unreflektierte Wahrnehmungen und Unkenntnis über die Dinge, die klare und unmissverständliche Entscheidungen verlangen, führen letztendlich zu einer Neuordnung der Realität, in der sich Fakten und Fiktionen miteinander vermischen. In den Köpfen entsteht eine neue Welt der Illusionen, die im fortgeschrittenen Stadium völlig von der Realität abgekoppelt ist. Es manifestiert sich ein Doppeldenken, welches Unpassendes miteinander verbindet, indem alles Widersprüchliche solange zum Einklang gebracht wird, bis es passt. In seiner fragilen Variante erinnert dieser Einklang an eine schizophrene Entgleisung. Wie aber kann man in dieser (zur Einheit verschmolzenen!) Situation Wahrheit von Lüge unterscheiden, fragt sich der Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung. (33)
Um den Widersprüchen zu trotzen, um sie zu erkennen, empfiehlt Jung die strikte Selbstreflektion des (noch) wachen Geistes, dessen Eigenständigkeit noch nicht zerstört wurde. Ein erster Schritt, um der psychischen Epidemie Herr zu werden. In einer Welt, in der Illusionen dominieren und jeden verachtet oder auch vernichtet, der den Faden zur Realität noch nicht verloren hat. In der nunmehr aktuellen Situation aber melden sich mehr und mehr mutige Menschen zu Wort und sehen die Widersprüche und fordern Alternativen, wodurch sie die von Illusionen geprägte Parteienlandschaft allmählich ins Wanken bringen.
Was sich die Bundesbürger in diesem Zusammenhang nun vor allem wünschen, sind fachlich versierte Politiker, die auf dem Boden der Realität stehen oder auf diesen zurückkehren. Frei von Ideologien. Die Menschen haben andere Probleme als die, über die die Politik im Klein-Klein in den letzten Tagen streitet. Die Menschen wollen keine Blame Games. Sie wünschen sich vielmehr eine ergebnisorientierte Streitkultur zurück, die den demokratischen Diskurs auf Augenhöhe neu belebt. Denn Demokratie lebt von konkurrierenden Ansätzen. In jüngster Vergangenheit wurde eine solche Konkurrenz niedergemacht. Auf der Metaebene unzulässiger Vergleiche. In einer Art und Weise, die man als unwürdig bezeichnen muss. Diese undemokratische Manier sollte nach der Bundestagswahl ein Ende haben. Auf diesem Weg „Mehr Demokratie wagen“, (34) dürfte also nicht schaden. Genau dieser Ansatz wäre eine einzigartige Chance. Also: Gute Besserung Deutschland.
Quellen:
QU-Wirts
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