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Stadt Cloppenburg
Herr Bürgermeister Dr. Wiese
Sevelter Straße 8
49661 Cloppenburg
Cloppenburg, den 27.04.2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Wiese,
gemäß § 56 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes wird folgender Antrag zur Beratung im zuständigen Ausschuss, im Verwaltungsausschuss und in der folgenden Ratssitzung gestellt:
Antrag:
Zeitnahe Abschaffung der Satzung über die Erhebungn von Beiträgen nach § 6 NKAG für straßenbauliche Maßnahmen der Stadt Cloppenburg vom 16.12.2002
Beschlussvorschlag:
1. Die o.g. Straßenausbaubeitragssatzung wird ab dem 1. Januar 2022 ersatzlos abgeschafft.
2. Die „Beitragspflichtigen“ werden, rückwirkend für das Jahr 2021, von den anteiligen Kosten für straßenbauliche Maßnahmen in der Stadt Cloppenburg befreit.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, zeitnah ein nachhaltiges Konzept zur Gegenfinanzierung zu erstellen.
Begründung:
Im Paragraphen 6 des niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG)(01)sind in der Fassung vom 20. April 2017 Straßenausbaubeiträge in Form einer Kann-Bestimmung enthalten. Dieser Passus wird auch nicht durch das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes und anderer Gesetze und zur Flexibilisierung von Straßenausbaubeiträgen vom 19. Oktober 2019(02) in Zweifel gezogen. Ersetzt wurde nur der Terminus „Straßenausbaubeiträge“, der nun „Beiträge für Verkehrsanlagen“ heißt.(03) Gerade weil es vielen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ein dringendes und existentielles Anliegen ist, bleibt die Erhebung von Beiträgen nach § 6 NKAG ein heftig umstrittenes Thema.
Der Verfasser des vorliegenden Antrags hält die Umsetzung der aktuellen Straßenausbaubeitragssatzung in Cloppenburg nicht mehr für zeitgemäß. Dass ein privates Grundstück nach Zahlung der Erschließungskosten-hingewiesen sei insbesondere auf Zahlung der verkehrsmäßigen Erschließung- wiederholt durch Ausbaubeiträge belastet werden kann, verstößt im Großen und Ganzen gegen das Solidaritätsprinzip. Die Politik in Cloppenburg ist aufgefordert, dem öffentlichen Anliegen nachzukommen und zeitnah ein transparentes Konzept zur gerechten Kostenverteilung vorzulegen.
In der heutigen Zeit ist es nicht mehr zu verstehen, dass Grundstückseigentümer mit z.T. horrenden Beträgen für die Sanierung von öffentlichen Straßen, Wegen, Kanalisationen und Beleuchtungen zur Kasse gebeten werden –und das oft mehrmals-, obwohl die Allgemeinheit davon profitiert. Die Beitragspflichtigen haben i.d.R. keine besonderen privatwirtschaftlichen Vorteile zu erwarten. Die oftmals unterstellten Wertsteigerungen von privaten Grundstücken halten im genannten Zusammenhang keiner Prüfung stand. Die massive Klageflut von Cloppenburger Anliegern gegen horrende Gebührenabrechnungen sollte der Politik zu denken geben.
Beispielsweise sind die beitragspflichtigen Anwohner der Werner Baumbach Straße zu nennen. Hier wurde ein Radweg neu angelegt, der vor allem der Öffentlichkeit zugute kommt. Das betrifft ebenso den Radweg an dem Hauptverkehrsweg Alte Löninger Straße. Besonders hier verfügen die meisten Anlieger nicht einmal über eine Ein-oder Ausfahrt zu dieser Straße. Von wirtschaftlichen Vorteilen der Anlieger kann nach dem Ausbau beider Radwege also keine Rede sein.
Die Hinweise von Anliegern, dass sich viele angeblich „reine Anwohnerstraßen“ zu reinen Durchgangsstraßen, zu Hochgeschwindigkeitsstrecken, entwickelt haben, sind mittlerweile belegt. Aber auch die als Fahrradstraße ausgewiesene Kirchhofstraße gilt als öffentlich kritisierter Problemfall. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag soll es nicht von Bedeutung sein, dass die Verkehrsregeln durch einen Großteil des PKW-Verkehrs grob missachtet werden. Es soll vielmehr darauf hingewiesen werden, dass inklusiv der Anliegerbeiträge eine Straße finanziert wurde, die überwiegend der Allgemeinheit zugutekommt, wobei die Zweckbestimmung bis heute nicht erfüllt ist. Auch dieses Problem wird von Anliegern juristisch angegangen.
Verständlicherweise hat es immer wieder massive Proteste gegen die Ausbaugebühren gegeben.(04) Der niedersächsische Steuerzahlerbund möchte die Straßenausbaubeiträge komplett abschaffen. DemSteuerzahlerbund geht das mittlerweile beschlossene Reformpaket von CDU und SPD für die Entlastung der niedersächsischen Bürger bei den Straßenausbaubeiträgen nicht weit genug. Er will stattdessen, dass die Beiträge komplett abgeschafft werden. Der Steuerzahlerbund hältStraßenausbaubeiträge fürungerecht, streitanfällig, vielfach existenzgefährdend, verwaltungsaufwendig und mit hohem politischem Ärger in Städten und Gemeinden behaftet.(05) „Die halbherzigen Reformen der großen Koalition entpuppen sich als Rohrkrepierer“, so eine Stellungnahme des Bundes zur niedersächsischen Gesetzesnovelle von Oktober 2019.(06)
In Niedersachsen kann laut § 6 NKAG(07), in der Fassung vom 20. April 2017, auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichtet werden. So erhebt die Gemeinde Essen (OL) keine Gebühren für die Sanierung von Straßen. Auch in weiteren deutschen Städten und Gemeinden brauchen Anlieger nicht mehr mit anteiligen Kosten für Straßensanierungen zu rechnen. Seit Januar 2018 werden keine Straßenausbaubeiträge in Bayern erhoben, seit 2016 nicht in Hamburg und seit 2012 nicht in Berlin. In Baden-Württemberg wurden diese Beiträge noch nie gefordert.(08)
Weitere Bundesländer haben über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen z. T. kontrovers diskutiert, haben bereits Beschlüsse gefasst oder abgemilderte Alternativen in Aussicht gestellt:
So wurden in Brandenburg die Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1.1.2019 abgeschafft. Für alle Straßen, für die eine Beitragspflicht bis zum 31.12.2018 entstanden ist, werden noch Straßenausbaubeiträge erhoben (Änderung des KAG vom 19.6.2019, GVBl. I Nr. 36).(09)
Auch in Thüringen wurden die Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1.1.2019 abgeschafft. Für alle Straßen, für die eine Beitragspflicht bis zum 31.12.2018 entstanden ist, werden noch Straßenausbaubeiträge erhoben (Gesetz zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge v. 10.10.2019, GVBl. 2019 S. 396).(10)
Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern beschloss 2019, dass für Arbeiten, die am oder nach dem 1. Januar 2018 begonnen wurden, keine Beiträge mehr zu erheben sind.(11)
In Rheinland-Pfalz wurden landesweit wiederkehrende Straßenausbaubeiträge eingeführt. Die einmaligen Straßenausbaubeiträge wurden abgeschafft. Eine Übergangsfrist gilt bis 31.12.2023 (Gesetz zur Änderung des KAG v. 5.5.2020, GVBl. S. 158).(12) Nach jahrelangen Protesten hat der Finanzausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt ebenfalls die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, rückwirkend zum 31.12.2019, auf den Weg gebracht.(13) (14)
Mit der Abschaffung der Satzung über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entfallen die Finanzmittel, die zuvor von betroffenen Anliegern gezahlt wurden. Somit muss über einen Ausgleich entschieden werden. Dass es den Gremien der Cloppenburger Politik möglich sein wird, z.B. Einsparungspotenziale bei den „freiwilligen“ Leistungen zu generieren, ist spätestens seit den Haushaltplanberatungen 2021 bekannt. Einer intelligenten Gegenfinanzierung mit vielen Alternativen steht somit nichts im Wege. Gleiches gilt für den zielorientierten Lösungsansatz im Sinne des vorliegenden Antrags mit Hilfe der fachlich hoch qualifizierten Experten in der Cloppenburger Stadtverwaltung.
Im Namen der Cloppenburger Bürgerinnen und Bürger bitte ich um zeitnahe Unterstützung des Antrags.
Dr. Hermann F. Bergmann (IBC)
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