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Kirchhofstraße 3

Erkenntnisstau im Rathaus

Realität widerspricht Statistik

HFB-20-02-29

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Die Kirchhofstraße kommt nicht aus den Schlagzeilen. Stau und Verstöße ohne Ende! Die Kirchhofstraße ist und bleibt Stadtgespräch. Das Ziel, sie in eine Fahrradstraße umzuwandeln, wurde bis heute verfehlt. Der Druck auf den Bürgermeister und seine Planungsabteilung wächst. Nunmehr war die Kirchhofstraße Thema in der öffentlichen Sitzung des Cloppenburger Bau- und Verkehrsausschusses.

 

Bürgermeister, Dr. Wiese, hatte sich offenbar zusammen mit seiner Verwaltung vorgenommen, die Sitzung als Entlastungsschlag gegen alle öffentlichen Vorwürfe zu nutzen. Doch die Präsentation diverser statistischer Größen endete vorzeitig mit einem akuten Erkenntnisstau bei den Zuhörern. Überzeugende Argumente, dass sich die Kirchhofstraße in naher Zukunft zu einer echten Fahrradstraße mausert, gab das dick aufgetragene Zahlenwerk nicht her. Die verwaltungstechnische Parallelwelt mochte nicht so recht mit der Realität in Übereinstimmung gebracht werden. Das allerdings traf auch auf die anschließenden Redebeiträge einiger Ausschussmitglieder zu. Eben diese gewählten Volksvertreter konnten keinesfalls zur Lösung des Problemfalls beitragen.

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(1) (2)

Anlass der Diskussion im Ausschuss für Bau- und Verkehr war ein Antrag der SPD/LINKS-Fraktion. Ziel war es, das Verkehrschaos in der Kirchhofstraße unter Kontrolle zu bringen. Mit einer rabiaten Maßnahme: Die Ampeln an Ein- und Ausfahrt sollten eine lang andauernde Rotphasen zeigen. Bei PKW-, aber auch und Radfahrern sollte die Erkenntnis reifen, dass eine zügiges Vorankommen aufgrund zu langer Wartezeiten vor Roten Straf-Ampeln unmöglich ist. Denn, so die Antragsbegründung der SPD/LINKS-Fraktion, „die Beschränkung auf Anlieger hält die Fahrer*innen nicht von der Durchfahrt ab und lässt sich auch nicht kontrollieren.“ (3)

Mit diesem letzten Totengebet war die Katze aus dem Sack. Für die Sozialdemokraten schien die „Fahrradstadt Cloppenburg“ für immer gestorben zu sein. Insgeheim glaubten sie nicht mehr an eine rosige Zukunft. Warum auch? Gleichzeitig aber die demonstrierte Botschaft an ihren Partner, die CDU-Fraktion: Hoch lebe die „Fahrradstadt Cloppenburg“. Mit geeigneten Maßnahmen sei man auf einem guten Weg. Deutlicher kann sich Resignation und Heuchelei nicht ausdrücken.

Das alles ist nichts Neues für diejenigen Bürger, die den Fraktionen CDU und SPD/LINKS schon lange nicht mehr trauen, die Ideale einer modernen Stadtplanung in einem überzeugenden Zeitrahmen voranzutreiben. Zumal die SPD/LINKS-Fraktion nur nachgeordnet das der Öffentlichkeit verkauft, was die CDU bereits vorgedacht hat. Ein Armutszeugnis!

„Cloppenburg auf dem Weg zur Fahrradstadt“ ist der Werbeslogan, mit dem sich die CDU zumindest bis zur Kommunalwahl 2021 über Wasser halten will. Unglücklicherweise läuft es nicht gut damit. Das Unternehmen Fahrradstraße gerät zum Desaster. Der Volkszorn wächst. Auch dadurch, dass die betroffenen Anlieger gegen die Anliegergebühren klagen, die ihnen mit vierstelligen Beträgen über 5.000 Euro bereits zugegangen sind. Um Druck vom Kessel zu lassen, wurde in die Trick-Kiste gegriffen. Mit haarsträubenden Argumentationsmustern. Dass hierbei auf das fehlende Fachwissen der Bürger*innen gesetzt wird, störte die Politik bisher nicht. Und das funktionierte in der Ausschusssitzung, Bau und Verkehr, mit folgendermaßen:

Um den Erfolg der Fahrradstraße eindrucksvoll zu verkaufen, nehme man zwei Vergleichstage. Z.B. den 1. Juni 2017 und den 16. Januar 2020. Jedem Fachmann war aber klar, dass die schönen Sommermonate mehr „Business“ kreieren und die Bürger*innen jedes Jahr im Januar eine eher „müde Zeit“ erleben. Es war also kein Zufall, dass an den Tagen der Messungen mal mehr, mal weniger Verkehr herrschte. So wurden zum einen 6.990, zum anderen nur (!) 3.711 Kraftfahrzeuge in der Kirchhofstraße gezählt. Nicht einmal die Presse stellt fest, dass diese Zahlen keinesfalls repräsentativ sein können und somit zu keiner Vergleichsaussage taugen. Den Vergleich dennoch herzustellen, um die Gegenüberstellung sogleich als Beweis für einen realistischen Erfolg herauszukehren, ist Irreführung pur!

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Hier werden Mess- ergebnisse miteinander in Verbindung gebracht, die nicht repräsentativ sind. Die Wirklichkeit sieht anders aus.    (1)

Noch abenteuerlicher wurde mit der Auswertung der Geschwindigkeitsmessung umgegangen. Grundlage einer solchen Messung ist die V 85-Methode, bei der zwar alle unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahrenden PKW gezählt, aber für die Statistik nur mit einem Anteil von 85 Prozent gerechnet werden. Es bleiben am Ende nur noch 15 Prozent der Fahrzeuge zu berücksichtigen, die die Höchstgeschwindigkeit überschreiten. Es wird also ein überdimensionierter Anteil der langsam fahrenden PKW und ein verschwindend kleiner Anteil der zu schnell fahrenden PKW einbezogen. Was dabei herauskommt ist nicht die Beschreibung der wirklichen Verhältnisse, sondern ein statistischer Wert, der ausschließlich (!) für interne Verwaltungszwecke gedacht ist.

Die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Kirchhofstraße ist mit 30 Stundenkilometern festgelegt. Wenn sich aber auf Grundlage der V 85-Methode bereits der Wert 31 ergibt, sollten die Alarmglocken läuten. Dieser statistische Wert bedeutet nämlich, dass im hohen Maße unangepasste Geschwindigkeiten vorliegen, ohne dass überhaupt die Spitzenwerte zu Geltung kommen. Der statistische Wert der aktuellen Messungen in der Kirchhofstraße wurde in der Sitzung mit 34 angegeben. Und der ist bekanntlich deutlich größer als der Wert 31. Wenn gerade dieser Wert 34 in seiner Bedeutung unkommentiert bleibt und gleichzeitig suggeriert wird, dass es sich um eine realistische Durchschnittsgeschwindigkeit handelt, der argumentiert schräg. Dann aber auch den Durchschnittswert der V85-Methode mit 24 Stundenkilometern nachzuschieben, klärt die Bürger*innen nicht wirklich auf. Auch dieses Aufklärungsdurcheinander führt die Öffentlichkeit in die Irre! Denn die Realität widerspricht der Statistik.

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    Kein Wunder, dass sich Radfahrer nicht mehr durch die Kirchhof- straße trauen. Aber für die Politikerin ist alles auf dem besten Wege. Sie würde das Problem wohl gerne aussitzen, so ihre Botschaft. (2)

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Mit der Vermengungs- lehre scheint sich der Professor gut auszu- kennen. Aber er spricht genau das an, worunter die Politik leidet: Aktionismus und Schöndenken! (2)

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Wer noch nicht gemerkt hat, wie die Realität beschaffen ist, schlägt die 20 Stundenkilometer vor. Das ist Aktionismus und Schöndenken im Sinne des Professors O.. (2)

Dass nun Ausschussmitglied und Ratsvorsitzende der CDU, Gabi Heckmann, eine solche (Retorten-) Entwicklung lobt, spricht für sich und bedarf keines weiteren Kommentars. Auch Ausschussvorsitzender, Bothe (SPD), konnte sich vor Begeisterung kaum auf seinem Stuhl halten. Die Zahlen waren einfach nur toll! Ähnlich erging es CDU-Fraktionsmitglied, Prof. Dr. Olivier.

Prof. O. setzt sich, seiner Meinung nach, stets für gute politische Ziele ein. Das ist bekannt. Vor kurzem noch hatte er sich für die Abholzung der Regenwälder in Südamerika stark gemacht, wobei er  den indigenen Völkern (!) eine gesicherte Einnahmequelle zubilligte. Während der aktuellen Sitzung nahm auch er die Autokolonnen auf der Kirchhofstraße zum Anlass, für das CDU-Prestigeobjekt Südtangente zu werben. Hierbei vergaß er nicht, die durch die Fahrradstraße bedingten Staus auf der Bergstraße und auf dem Prozessionsweg zu erwähnen. Durch eine Südtangente könne, so Olivier, die Innenstadt vom zunehmenden Autoverkehr entlastet werden.

Dass sachfremde Bemerkungen nicht zur Tagesordnung gehören, spielte offenbar keine Rolle. Ein verwarnender Hinweis zur Geschäftsordnung, für die eigentlich der Ausschussvorsitzende verantwortlich zeichnet, blieb daher aus. Demzufolge verlängerte sich die Sitzung um fast eine Stunde!

Und als in diesem Zusammenhang SPD-Ausschussmitglied, Borchers, ein weiteres Tempolimit von 20 Stundenkilometern vorschlug, wobei selbst die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern für die meisten Autofahrer in Cloppenburg eine nachhaltige Unbekannte darstellt, war das Ende der Fahnenstange bereits erreicht. Der totale Realitätsverlust der Cloppenburger Politik gewann an Eigendynamik. Fairerweise muss angemerkt werden, dass sich viele der Ausschussmitglieder in Schweigen hüllten und nur noch mit dem Kopf schütteln konnten.

Wenn also Langzeitmessungen fehlen, kann weder die Messung am 1. Juni 2017 noch die am 16. Januar 2020 Repräsentatives über die Verkehrssituation auf der Kirchhofstraße aussagen. Schon gar der Vergleich beider Werte. Auch wenn die Messzahlen auf ca. die Hälfte gefallen sind, ist die tatsächliche Verringerung des verbotswidrig einfahrenden Verkehrs nicht nachgewiesen.

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Diese Expertenmeinung lässt kein gutes Haar an den Ausführungen des Bürgermeisters. Das betrifft auch die Folgen der Gesamtplanung, durch die weitere Problemschwerpunkte geschaffen wurden. (1)

Weiterhin steht die Kirchhofstraße als ausgewiesene Fahrradstraße nur auf dem Papier. Solange das so bleibt, ist ihre Widmung nur als Verwaltungsakt vollzogen. Inwieweit das ein justiziables Argument ist, müssen mögliche Verfahren vor Verwaltungsgerichten klären. Schließlich geht es um Anliegergebühren in Höhe von mehreren Tausend Euro pro Haushalt.

Denjenigen, die zwangsweise diese Gebühren zu zahlen haben, wurde von der Politik etwas anders versprochen. Auf den Punkt gebracht: Die Anlieger müssen für das zahlen, was die Kirchhofstraße ohnehin schon immer auszeichnete. Eine Fahrradstraße wurde nicht geliefert!

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Auch in diesem Kommentar wird den Verantwortlichen kein Erfolg testiert. Selbstverständlich ist die Politik für das Chaos verantwortlich. Respekt? Warum wird das an dieser Stelle nicht deutlich gesagt? (4)

Der vorliegende Fall illustriert, wie Politik um gewisse Themen herumlaviert. Hierbei werden zielgerichtet Desinformationen gestreut, um die Öffentlichkeit, aber auch Volksvertreter zu täuschen. Für die „Fahrradstadt Cloppenburg“ scheint es ersatzweise das Ausstiegs-Konzept „Cloppenburg auf dem Weg zur Fahrradstad“ zu geben. Ein Notausstiegszenario, kreiert mit Hilfe einer Phrasendreschmaschine, die noch immer in Betrieb ist.

Ein Finale in der Unendlichkeit anzukündigen ist zur strategischen Zeitschiene der Politik auf allen Ebenen geworden. Damit wird das eigentliche Ziel verfolgt, am Ende doch nichts vorweisen zu müssen. Aktuell naheliegend ist, dass sich die CDU zunächst über die Kommunalwahl 2021 hinaus retten möchte.

Ihr Niedergang setzte sich jüngst fort mit den Ergebnissen der Bürgermeisterwahlen in Molbergen, Vechta und Garrel. Die CDU-Gekürten kamen allesamt nicht zum Zuge. Nunmehr ist der CDU auch ein intensiv GRÃœNER Farbanstrich nicht zu schade, um sich einer vermeintlich breiten Wählermasse anzubiedern. Dass die derzeitig nach Publicitiy hechelnde SPD-LINKS-Fraktion im Cloppenburger Stadtrat der CDU aktuell als rettender Vasall zur Seite steht und damit u.a. die kritische Oppositionspolitik aller SPD-Vorgängerfraktionen konterkariert, ist ein trauriges Kapitel für sich.

Diejenigen, die die vielen Autos in der Fahrradstraße für unverzichtbar halten, sollten sich fragen, wie der Fruchtsaft am Ende schmecken wird, wenn ihm wenig bis zu viel Motoröl zugesetzt wird. Auf das ehrliche Ziel „Fahrradstadt Cloppenburg“ hingewiesen, müsste zumindest eine Priorität gelten: Da wo Radfahrer fahren, haben Autos nichts zu suchen!

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    Quellen:

     (1) NWZ, Auszüge, 21.02.2020.

     (2) MT, Auszüge, 21.02.2020.

     (3) vgl. MT, SPD-Antrag, 08.01.2020.

     (4) NWZ, Auszug: Kommentar Mensing, 21.02.2020.

 

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