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SPD steuert in demonstrativer Selbstzufriedenheit auf ihren Untergang zu

 

Kinderarmut und Agenda 2010

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Bei der immer wiederkehrenden Diskussion um die Kinderarmut ist das eigentlich Beschämende, dass trotz hinreichender Faktenlage überhaupt nichts passiert. So ist es nur richtig, dass NWZ-Journalist Thomas Haselier das Thema deutlich beim Namen nennt. In Form eines Kommentars, der in seiner einzigartigen Prägnanz als Appell an eine allzu selbstgefällige Politik zu verstehen ist, nun endlich zu handeln. Dass „Schröders Armutsagenda 2010 den größten Niedriglohnsektor“ geschaffen hat und damit als eine der ursächlichen Zusammenhänge überhaupt zu betrachten ist, kommt ohne Umwege zur Sprache. Leider will die SPD genau diesem Denkansatz immer noch nicht folgen! In ihrer demonstrativen Selbstzufriedenheit übersieht sie den gefährlich nahenden Niedergang.

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Ein Kind gilt als arm, wenn es sich über einen längeren Zeitraum in einer Armutslage befindet. Mindestens ein Fünftel aller Kinder leben in diesen prekären Verhältnissen. Das fünf Jahre oder länger. Bei weiteren 10 Prozent der Kinder ist Armut ein kurzeitiger Lebensabschnitt. Maßstab für die Klassifizierung der Kinderarmut ist das Haushaltsnettoeinkommen, welches dann weniger als 60 Prozent beträgt. Hier greift auf Antrag die staatliche Grundsicherung. Besonders von der Armut betroffen sind Kinder von alleinerziehenden Eltern, Kinder mit mindestens zwei Geschwistern und Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern. Damit einhergehend sind immer mehr Kinder im schulpflichtigen Alter bedürftig. Daher wirkt es nur zu grotesk, wenn im Bildungsbereich ein Investitionsstau von ca. 80 Milliarden Euro verzeichnet wird.

 

Folgen der Kinderarmut

Kinder in Armut sind überdurchschnitt der Gefahr ausgesetzt, sich kognitiv und emotional nur unzureichend zu entwickeln. Im Vergleich zu anderen Ländern mit gegliedertem Schulsystem sind bedeutend schlechtere schulische Leistungen die Folge. Kinder aus armen Verhältnissen besuchen im Erwachsenenalter weniger häufig Hochschulen oder werden häufiger im minderjährigen Alter Eltern. Sie rauchen häufiger, benutzen öfter illegale Drogen und finden als Erwachsene nur schwer eine Arbeitsstelle, von der sie angemessenen leben können. Das alles ist sowohl durch die Shell-Studien als auch durch die World Vision Kinderstudien belegt.

 

Hauptursache der Kinderarmut

Dass Kinder viel Geld kosten, erfahren auch diejenigen Eltern, die sich noch über ein nahezu ausreichendes Auskommen freuen dürfen. Kindergeld und der Zuschuss durch das Teilhabegeld in Höhe von 100 Euro sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch wenn die Bildung der Schüler im Bundesland Niedersachsen mit mehr als 7.000 Euro pro Jahr gefördert wird, reicht es in vielen Fällen hinten und vorne nicht für eine fürsorgliche Erziehung der eigenen Kinder.

Sofern er welche hat, versorgt jeder Arbeitnehmer seine Kinder so gut er kann. Zudem hat ein Arbeitnehmer ebenso die Rentner zu versorgen. Das geschieht durch die gesetzlich vorgeschrieben Beiträge in die Rentenkassen. Wenn es also immer mehr Rentner gibt, dann muss es auf der anderen Seite immer weniger Kinder geben, die in Familien versorgt werden. Zuletzt werden Belastung auf der einen Seite (Rentner) durch die andere Seite (Kinder) wieder ausgeglichen. Leider werden Doppelbelastung und deren Ausgleich geflissentlich verschwiegen. Die privaten Rentenversicherer reiben sich die Hände.

Wenn aber die Lohneinkünfte für beide Seiten, für die Versorgung der Rentner und der Kinder, zu niedrig sind oder keine Mittel übrig bleiben, so werden  Beiträge durch Steuermittel ersetzt. Für Rentner und für Kinder zugleich. Wenn sich aber immer mehr Menschen die Arbeit teilen müssen, weil das Arbeitsvolumen der letzten Jahrzehnte nicht gestiegen ist, sinken zwangsläufig die Einkommen, die für Kinder und Rentner wenig bis nichts mehr übrig lassen. Somit liegt es letztlich an den immer geringer ausfallenden Einkommen und der damit einhergehenden Gesetzeslage, dass Sozialkassen und Steuergelder bis zum Anschlag beansprucht werden. Und das solange, bis die Zahlungsunfähigkeit dem Treiben ein Ende setzt. Somit ist klar, dass die prekäre Entwicklung in erster Linie durch angemessenere Löhne wirksam gestoppt werden kann. Angemessene Löhne, die der Produktivität angeglichen sind, sind nicht gewollt. Das verschwommene Bekenntnis der SPD zur Agenda 2010 und zur Schwarzen Null des roten Finanzministers Scholz sind Indizien hierfür.

 

Kinderarmut politisch gewollt

Solange Zweifel an der Agenda 2010 für die SPD überhaupt nicht zur Debatte stehen, wird sich an der Lohnfixierung nichts ändern. Stattdessen marginale Veränderung anzukündigen, sie zuletzt als lippenbekennenden Kompromiss mit der Union umzusetzen, schafft keine wirkliche Verbesserung der prekären Verhältnisse. So auch am Ende der neuerliche Rentendebatte, die nicht wirklich ernst gemeint war. In Wirklichkeit ging es um die Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung. Im Koalitionsvertrag dagegen war eine Senkung um 0,3 Prozentpunkte vereinbart. Aber stattdessen wurde sie um 0,5 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Diese Senkung der Lohnnebenkosten kann weniger die Arbeitnehmer als vielmehr die Arbeitgeber freuen, wobei die Arbeitnehmer nun mit höheren Beitragssätzen rechnen müssen. Zuletzt folgte, wie gewohnt, die lautstarke Hurra-Meldung aus den Reihen der GroKo. Man hatte sich geeinigt. Wiederum auf Kosten der Arbeitnehmer.

 

Realitätsferne der politisch Verantwortlichen

Für dieses taktische Irrlichterspiel sollte sich vor allem die SPD schämen. Für diese Partei steht das „weiter so“ voll im Trend. Aber die Botschaften an die Öffentlichkeit sind andere. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles verkündet, dass sie sehr zufrieden sei. Bei den Umfragen müsse aber noch eine Schippe drauf, so Nahles. Dabei erfährt die SPD aktuell gerade mal 17 Prozent an Zustimmung, wobei der Optimismus der Parteivorsitzenden nur auf einer sehr realitätsfernen Einschätzung beruhen kann. Andrea Nahles scheint sich im GroKo-Milieu offenbar besonders wohl zu fühlen. Das wird nicht ohne Einfluss auf die stetig schrumpfende Basis sein, die sich im Echoraum der Zusprüche über ihr impliziertes Delirium auch noch freut. Zugleich hat sich die Rebellion der Jusos mehr oder weniger in Luft aufgelöst. Alles das sollte den Genossen ein deutliches Zeichen für den gefährlichen Stillstand innerhalb der SPD sein.

 

Festhalten am falschen Ansatz

Die SPD hält weiterhin fest an der Agenda 2010, dem wirtschaftspolitisch falschen Ansatz, dem sich alles unterzuordnen hat. Die vielen sozialpolitischen Folgen sind allzu bekannt. So ist Kinderarmut hauptsächlich eine Folge prekärer Löhne. Denn wenn Eltern arm sind, sind es ihre Kinder ebenfalls. Das Folgeproblem der Kinderarmut wird von der Politik noch immer nicht ernst genommen. Ähnlich verfährt die Politik mit den Problemen der Altersarmut aufgrund zu niedriger Renten, des Investitionsstaus im Bildungssystem, der desaströsen Verkehrs- und Umweltpolitik und des Gesundheitswesen (etc.). Mehr als 30 Milliarden für die Aufrüstung der Bundeswehr sind dagegen kein Thema. Auch für die SPD nicht.

 

Neusprech vor dem endgültigen Niedergang

Den Menschen werden weiterhin Ziele und Erfolge verkündet, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben. Mit Formulierungen, die spitzfindiger und irreführender nicht sein können, stellt die Politik den Menschen immer wieder etwas Positives vor, was sich in Wirklichkeit genau ins Gegenteil verkehrt. „Die Rente ist sicher“, „wir schaffen das“, „Fordern und Fördern“, „Gerechtigkeit“,“ „kostenlose Bildung für alle“ oder auch „2% mehr für Friedensmissionen“ sind nur einige Beispiele dieser Masche, die George Orwell in seinem Roman „1984“ als „Neusprech“ bezeichnet hat. Da Arbeitnehmer seit geraumer Zeit als Unterstützer der SPD nicht mehr infrage kommen, scheint der Partei in ihrem blinden Aktionismus völlig zu entgehen, dass sie in ihrem Umfragetief von ca. 17 Prozent nur noch von Arbeitgebern getragen wird. Auch wenn sich die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles in dieser Situation völlig zufrieden gibt, bedeutet das auf kurz oder lang den endgültigen Niedergang der deutschen Sozialdemokratie. Doch dieser unsägliche Niedergang wird das stetig wachsende Symptom der „Kinderarmut“ nicht wirklich aufhalten. Es sei denn, mutige und tatkräftige Politiker ziehen die Reißleine und leiten eine nachhaltige Wende ein.

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Quelle

    NWZ, 23.08.18, S. 4.

 

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