slogan_bot-b
Leiste-H-01
IBC-Wahl-Logo-16-10cklein

Die ENW müssen es nicht unbedingt sein

Die Sicht eines Sozialdemokraten

In der Cloppenburger Ratssitzung am 16. September 2013 wurde der Ausstieg aus den ENW (Energienetze Nordwest) beschlossen. Der Ratssaal war gefüllt mit Menschen, die ihre berufliche Zukunft mit dem Ratsbeschluss in Verbindung gebracht hatten. Überwiegend handelte es sich um Arbeitnehmer der EWE und um Mitarbeiter von Firmen, die in der EWE (Energieversorgung Weser-Ems) eine gute Auftraggeberin sehen. Eine Entscheidung für die ENW hätte für viele eine Lohnkürzung oder sogar Arbeitsplatzverlust bedeutet.

EWE-ENW-14-01c

Mit der Gründung der ENW –so wurde stets behauptet- strebte man die Rekommunalisierung der Energienetze im Landkreis Cloppenburg an. Die EWE ist aber ein kommunales Unternehmen und kein privatrechtliches. Ich frage mich im Nachhinein, wie man während der mehr als zwei Jahre andauernden politischen Debatte im Cloppenburger Raum überhaupt von einem Rekommunalisierungsbestreben sprechen konnte?

Mit dem Auslaufen der Konzessionsverträge mit der EWE hatten sich die Kommunen des Landkreises Cloppenburg die Option vorbehalten, die Energienetze zukünftig in Eigenregie zu führen. Hierzu waren Kaufverhandlungen nötig, die alle Geschäftsdaten der EWE einforderten. Die EWE war aber gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Daten offen zu legen. Im eigenen Geschäftsinteresse behielt sie diese für sich. So hätten sich auch andere Unternehmen verhalten!

Erst nachdem die ENW gegründet waren, konnten die Verhandlungen beginnen. Nun musste die EWE den Bürgermeistern der Gemeinden im Landkreis Cloppenburg, die die Gesellschafter der ENW waren, die Karten auf den Tisch legen. Die Bundesnetzagentur hatte den Restwert der Energienetze im Landkreis Cloppenburg schließlich mit 90 Millionen Euro festgelegt.

Bei Verhandlungen zwischen der ENW und der EWE ergab sich ein akzeptierter Kaufpreis von 140 Millionen Euro. Zudem waren 20 Millionen Euro veranschlagt, um die Energienetze rund um den Landkreis von der Zuliefernetzen der EWE zu trennen. 13 Gemeinden im Landkreis hätten diesen Betrag anteilig finanzieren müssen. Doch von den 13 Gemeinden sprangen immer mehr von den ENW ab. Das war möglich, weil auch viele SPD-Fraktionen des Landkreises Cloppenburg zugestimmt hatten. Somit wurde das mögliche Netzgebiet der ENW immer kleiner und zersplitterter. Vor einer zu starken Zersplitterung hatte die Bundesnetzagentur bereits im Vorfeld gewarnt. Zuletzt plädierten die Bürgermeister der Gemeinden dazu, aus den ENW auszusteigen und das Sonderkündigungsrecht wahrzunehmen. Das war der aktuelle Sachstand am Abend vor der Ratssitzung.

Wie entscheidet man eigentlich als Sozialdemokrat? Unter welchem Blickwinkel hat dieser seine Meinung zu bilden, wenn es sowohl für die ENW als auch für die EWE gute Gründe gibt, sich dafür oder dagegen zu entscheiden?

Neben den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind Abwägungen mit einzubeziehen, die für Sozialdemokraten von besonderer Wichtigkeit sind. Eine Abwägung betrifft den Schwerpunkt Arbeit und Soziales . Der Schwerpunkt „Energie und Umwelt“ wäre eher bei der Partei Bündnis90/ Die Grünen zu vermuten, aber eben nur dort.

Ich habe mich für den sozialdemokratischen Ansatz entschieden und frage mich, ob es verantwortlich gewesen wäre, gewachsene Beschäftigungs- und Lohnstrukturen in unserer Gegend zu zerschlagen, um einem auswärtigen Unternehmen zur Bewirtschaftung der Cloppenburger Energienetze zu bevorzugen. Die Sorgen der Beschäftigen, die Familie und Kinder haben, kann ich mir gut vorstellen. Beschäftigte, die vielleicht noch viele Jahre das Darlehn und die Zinsen z.B. für ihr Eigenheim aufbringen müssen. Das betrifft nicht nur die EWE-Beschäftigten, sondern auch nachgeordnete Arbeitsplätze.

Es ist bedauerlich, dass sich die SPD-Fraktion während der öffentlichen Sitzungen, bei denen über die „Rekommunalisierung“ gesprochen wurde, nicht ein einziges Mal ein Wort an die vielen während der Sitzung anwesenden Beschäftigten gerichtet hat. Hierdurch hätte man signalisieren können, dass der SPD der Erhalt, die Bezahlung und die Qualität von Arbeitsplätzen wichtig ist. Kein Wort darüber auch von den Gewerkschaftern in der SPD und bei den Grünen. Diese Ignoranz war ein Schlag ins Gesicht der politikinteressierten Zuhörer im Ratssaal der Stadt Cloppenburg.

EWE-ENW-14-02

Sozialdemokraten ziehen natürlich auch den Schwerpunktbereich „Energie und Umwelt“ in ihre Überlegungen mit ein. Auch sie treten für regenerative Energiepotenziale ein. Mit dieser Betrachtungsweise wird Energie aber nicht billiger, denn die neuen Technologien müssen zunächst einmal finanziert werden. Die Energiekosten werden steigen, da bedeutende und innovative Investitionen nötig sind. Und wenn man die Energiekosten in den Griff bekommen möchte, so wird man nur zusehen können, dass die Preise nicht exorbitant schnell steigen. Eine wirkliche Einsparmöglichkeit gibt es nicht. Anderslautende Pressemitteilungen verkennen die spezielle Situation in Cloppenburg und sind purer Populismus. Die gemeinsame Pressemitteilung im Schulterschluss mit den Grünen und der UWG wurde in der SPD-Fraktion zuvor nicht gebilligt.

Im Übrigen könnten Erzeuger, Betreiber, Investoren oder der Gesetzgeber Einfluss nehmen, um die Kosten für Energie effektiv zu senken. Neben dem Erzeugerpreis bei Strom und der dazugehörigen Konzessionsabgabe z.B. gibt es die Strom- (Öko-)Steuer, die KKW-Umlage, die Umlage nach § 19 StromNEV, die Offshore-Umlage, die EEG-Umlage und vor allem die Umsatzsteuer von 19%. Ob eine solches Umlagen- bzw. Finanzierungsmodell alternativlos ist, sollte doch mal überprüft werden! Vielleicht könnte der Normalverbraucher bei einem alternativen Modell wirkliche Einsparungen verzeichnen. Auf Initiative des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel denkt die Bundespolitik über Alternativen bereits nach. Besonders auf dieser Ebene wäre ein Erfolg dringend erforderlich.

Hintergrund der lohnenden Übernahme der Netze durch die Cloppenburger Kommunen wäre eine Renditeerwartung von 9% für die neuen Eigentümer gewesen. Doch diese Angabe erwies sich als fehlerhaft. Sie gilt nur für Neuanlagen. Bei der Übernahme der EWE-Netze hätten die Gemeinden im Landkreis Cloppenburg Altanlagen bekommen. Die Renditeerwartung hätte also nur 7% betragen. So schreibt es die Bundesnetzagentur vor. Hinzuzufügen bleibt, dass hohe Renditeerwartungen bei der gegenwärtigen Niedrigzinspolitik risikobehaftet bleiben. Nicht selten stehen vor allem Kleinanleger nach einer Zeit voller Hoffnung vor dem Nichts !

Bereits in den Tagen vor der Ratsentscheidung haben mir die Energieunternehmen THÜGA und ENERCON z. T. wiederholt deutlich gemacht, dass ausgehandelte der Kaufpreis derart hoch sei, dass sich ein wirtschaftliches Auskommen nach der Übernahme der Netze in den ersten drei Jahren nicht garantieren ließe. Ob die Stadtwerke Osnabrück, die sich noch zuletzt als Strategischer Partner offenbart hatten, weiterhin Interesse gezeigt hätten, darf bezweifelt werden. Nach unbestätigten Angaben seien auch sie auf dem Rückzug gewesen. Zuletzt wären die ENW ohne Strategischen Partner gewesen und die Suche danach hätte von vorne beginnen müssen. Was es heißen könnte, ohne ausreichende Kompetenzen zu bleiben, weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachweislich fehlte, bescheinigte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht dem Landkreis Leer am 16.09.2013. Das Bestreben zur Rekommunalisierung wurde untersagt.

Zuletzt habe ich gegen den massiven Druck in der eigenen Fraktion für die Wahrnehmung des Sonderkündigungsrechts gestimmt. Mit einer knappen Mehrheit wurde dann auch das ENW-Modell im Rat der Stadt Cloppenburg abgewählt.

Als Sozialdemokrat habe ich mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht. Im Vorfeld hatte ich noch die Unterstützung weiterer SPD-Fraktionskollegen, deren Meinungsbild auch in der zuständigen Verwaltungsausschusssitzung vertreten wurde. Doch die waren am Samstag vor der Ratssitzung plötzlich anderer Meinung. Der Meinungswechsel hatte z.T. fraktionsinterne Gründe. Dabei wollten sie und ich noch in der Woche vor der Ratssitzung über eine Pressemitteilung die sozialdemokratische Ausrichtung vertreten. Der Artikel war bereits fertig und musste nur noch an die Presse weitergeleitet werden. Daraus ist nun nichts geworden. Eine wirklich stichhaltige Begründung für den Meinungsumschwung habe ich von meinen Fraktionskollegen nie gehört. Immerhin hatte jedes Ratsmitglied zwei Jahre Zeit, sich eine eigene Meinung zum Thema „Konzessionsverträge“ bilden zu können.

Erst später erfuhr ich, dass viele Menschen enttäuscht über die Cloppenburger SPD waren. Wie kann man nur die Existenz vieler Familien leichtfertig aufs Spiel setzen, war immer wieder zu hören. Die Menschen konnten das Verhalten der SPD-Fraktion überhaupt nicht verstehen. Sie hätten von der SPD-Fraktion mindestens eine eigenständige Stellungnahme während der entscheidenden Ratssitzung erwartet, so resignierte Meinungen.

SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und UWG haben es mit Vehemenz vermieden, ein Gegengutachten zur Unternehmensberatung GPP erstellen zu lassen. Dass es mit SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der Gruppe CDU/FW-BFO auch anders gehen kann, zeigt die klare Entscheidung für die EWE in Oldenburg. Zumindest steht fest, dass es in Cloppenburg an einer substantiell korrekten Einwendung gegen die EWE gefehlt hat. Das Gewissen gewählter Ratsmitglieder galt zuletzt als unerwünscht.

Es gibt noch vieles Mehr zu sagen, wie sich meine Entscheidung begründet. Die hier vorliegende Kurzdokumentation soll nur ein Auszug eines Meinungsbildungsprozesses sein, der in der SPD-Fraktion eher rudimentär stattgefunden hat. Auch wurde kein Gegengutachten zur Rekommunalsierung –wie in Oldenburg geschehen- eingefordert. Das war ein Fehler! Leider stand für die Grünen und für Teile der SPD-Fraktion von vornherein fest, dass die EWE das unerwünschte Geschäftsmodell sein sollte. Somit hätte ich für die ENW stimmen müssen. Aber die Ideologie hat sich nicht durchsetzen können.

Mit meinem Abstimmungsverhalten stehe ich nicht im Widerspruch zur Mehrheit der SPD im Landkreis Cloppenburg und in der Stadt Oldenburg. Darüber hinaus stehe ich zu meinem Abstimmungsverhalten und werde auch weiterhin sozialdemokratische Politik im Rat der Stadt Cloppenburg vertreten.

 

 Dr. Hermann Bergmann

(Ratsherr im Rat der Stadt Cloppenburg für alle Cloppenburger Bürger)