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Wen(n) die Nazikeule trifft
Überprüfung von Straßennamen
„Cancel Culture“ und die Ahnungslosen
HFB 24-08-12
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Die Vergangenheit soll es richten. So zumindest hofft es der Vorsitzende der SPD-LINKE-Gruppe im Rat der Stadt Cloppenburg Jan Oskar Höffmann. Obwohl die Bürger Cloppenburgs von der Politik ganz etwas anders erwarten, wird eine weitere Sau durchs Dorf gejagt. Mit einem Antrag, mit dem nun wieder einmal kräftig die Nazikeule geschwungen wird. Diesmal im Visier einige Namensgeber Cloppenburger Straßen. Und das ausgerechnet in der Nähe von Varrelbusch-Staatsforsten, einer Hochburg der CDU-Wähler. Nun stehen diese Namensgeber unter Verdacht, das Nazi-Regime unterstützt zu haben. Im Fokus Höffmanns (SPD) sind vor allem Hanna Reitsch, Werner Mölders, Werner Baumbach und Ernst Udet. (01) Eine erste Stellungnahme erfolgte auf dieser Seite bereits im Mai 2023. (02)
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Ein Meinungsbild
von
Dr. Hermann F. Bergmann
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Wissenschaftlicher Kampf gegen Rechts hinter politischer Fassade
Alles müsse überprüft werden, meint der Ankläger, Fraktionsvorsitzender Höffmann. „Die Überprüfung solle wissenschaftlich begleitet werden”, so seine Forderung. Gegenwärtig hat die SPD-LINKE-Gruppe im Cloppenburger Stadtrat also nichts Besseres zu tun, als den populistischen Kampf „gegen Rechts“ rückwärts in die Vergangenheit zu verlagern. Zur Lösung der Probleme in der Gegenwart und Zukunft haben sie offenbar wenig bis nichts zu bieten. Im politisch rückwärtsgewandeten Blick dürfen die üblichen Stereotypen natürlich nicht fehlen. Zumindest hätten die Angeklagten „eine systemkonforme Haltung an den Tag“ gelegt, behauptet der Vertreter der Anklage. Höffmann (SPD) scheint allerdings vollkommen ahnungslos darüber zu sein, welch heißes Eisen er mit seinen unbedachten Äußerungen anfasst. Die Aussage, „Eine systemkonforme Haltung an den Tag [legen]“, kann demnach mit Blick auf das Krankenbett der Politik bereits als Vorlage zur Geschichtsverfälschung verstanden werden.
Eine retrospektive Wissenschaftliche Untersuchung hat die Pflicht, sich vollumfänglich in das Selbstverständnis vergangener Zeiten hineinzuversetzen. Hierbei sind die zeitlich zugewiesenen Muster zu nennen und zu beschreiben, die die dort lebenden Menschen z. T. willkürlich beeinflussen und ihre normativen Handlungen bestimmen. Ausschließlich vor diesem zeitlichem Hintergrund darf wissenschaftlich analysiert werden, welche Handlungen dieser vergangenen Zeit keinesfalls mehr zu rechtfertigen waren. Allerdings birgt eine weitverbreitete zeitgeschichtliche Ahnungslosigkeit die Gefahr, die zeitgeschichtliche Analyse ganz zu versägen, wozu eine parteipolitische Fassade ihr Übriges beisteuert.
Auf Antrag der SPD-LINKE-Gruppe im Rat der Stadt Cloppenburg wurde nun ein Wissenschaftlicher Untersuchungsbericht erstellt, der die Namensgeber einiger Cloppenburger Straßen auf ihre nationalsozialistische Vergangenheit ermittelt. Nach sorgfältiger Analyse dieser Berichts entsteht der Eindruck, dass die vier historischen Persönlichkeiten, Hanna Reitsch, Werner Mölders, Werner Baumbach und Ernst Udet, die die Namensgeber einiger Stadtstraßen sind, aufgrund einer – wenn auch üppigen, aber -einseitigen Literaturauswahl mit vorwiegend belastenden Quellen beurteilt bzw. verurteilt werden. Und das vor dem Hintergrund der heutigen Denkansätze und nicht vor dem Hintergrund der historisch normativen. Das hält das Cancel-Culture-Karussell fortan am Laufen. Ausgewogenheit sieht anders aus.
Es fängt schon damit an, dass man das Autorenteam Tauz –Witkowsky für stark befangen halten darf, welches auf jeden Fall das liefert, was der Antragsteller der SPD erhofft. Schließlich ist die Autorin Dr. Mareike Witkowsky nicht nur wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Universität Oldenburg (03), sondern auch SPD-Mitglied in im Stadtbezirk Oldenburg. (04) Und wenn man dort etwas werden will – was bei Bewertung ihres Internetauftritts durchaus nahe liegt - muss man liefern, was gefragt ist. Und das ist selbstloser Einsatz im ideologischen Kampf gegen Rechts mit den entsprechenden Ergebnissen. Als Politikwissenschaftlerin im Dunstkreis parteipolitscher Verpflichtungen dürfte ihr das – so die naheliegende Annahme - nicht schwer fallen. Aus der Wissenschaftlichen Analyse wird die Politische. Immer und immer wieder. Unbemerkt und subtil! Eine Kenngröße der heutigen Zeit. Das miese Niveau des Politikgeschwätzes trägt nun Früchte. Gleichzeitig ist der Unwille, über etwas gründlich nachzudenken, die Norm. Ahnungslos bleibt ahnungslos. Steter Tropfen höhlt das Hirn. Vom fünfstelligen Rechnungsbetrag für die Überprüfung auf Kosten der Steuerzahler ganz zu schweigen.
Somit sind resultierenden Kernaussagen der Autoren Tauz und Witkowsky (SPD) genauso schräg wie der SPD-Antrag zur Überprüfung der Straßennamen selbst. Eine ausgewogene Faktenanalyse auf wissenschaftlicher Basis sieht anders aus. Ein Meinungsbild kann diese nicht ersetzen. Dieses führt letztendlich zur Beliebigkeit, zu einem Thema ohne Ende, das auch vor anerkannte Persönlichkeiten nicht Halt machen wird. Das soll im Folgenden an einem Beispiel gezeigt werden. Wenn den Lesern also etwas mehr zugemutet wird, sollten sie das nicht missverstehen. Das Beispiel dient zur Illustration, wohin die induzierte Beliebigkeit am Ende führen wird. Er weist auf die Absurdität des vorliegenden SPD-Antrags hin, der ein Fass ohne Boden verspricht.
Zeitlos: Die Pflicht zur „systemkonformen Haltung“
So könnte es zum Beispiel heißen: Einige derjenigen, die das Wirken vorbildlicher Funktionsträger aus Wirtschaft, Behörden, Kirchen oder sonstigen Institutionen der Nazizeit aus heutiger Sicht tiefgehender durchleuchtetet haben, wurden „(…) dann durch Entdeckungen zur deutschnationalistischen bzw. militaristischen Seite des Vorbildes tief enttäuscht“. Besonders Aussagen, „ (…) wir wollen (…) für seine liebevolle Führung dankbar sein, welche die höchsten Führer unseres Vaterlandes erleuchtet und gestärkt hat, dass sie die furchtbare Gefahr, welche unserem geliebten deutschen Volke durch die offene Propaganda (…) drohte, erkannt haben und sie mit starker Hand auszurotten suchen“, sind ein starkes Indiz für eine an den Tag gelegte „systemkonforme Haltung“.
Und wer den Einmarsch „der Wehrmacht unter Bruch des Versailler Vertrages im März 1936 in das entmilitarisierte Rheinland (…)“ schließlich begrüßte und deutlich machte, dass er „den <Versailler Gewaltfrieden> (...) nie anerkannt [hat], sollte die Glaubwürdigkeit dieser Haltung letztendlich unmissverständlich bewiesen haben. Zu diesen Beweisen zählt beispielsweise die Stellungnahme zum siegreichen Frankreichfeldzug im Jahr 1940: „Wir alle fühlen gerade jetzt uns angetrieben, in gemeinsamen Dankesliedern (…) unsere Huldigung darzubringen, der unseren Soldaten die Kraft und den Mut gegeben hat, jene glorreichen Siege zu erringen, die zum Waffenstillstand in Frankreich uns damit zu einer Belebung der Hoffnung auf baldigen Frieden geführt haben.“ Weiter heißt es zur damaligen Zeit: „Wir erwarten von unseren Soldaten, dass sie alles dran setzen, um den Ansturm der Feinde gegen unser Vaterland niederzuringen (…)“.
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Um auf den Punkt zu kommen: Funktionsträger aus Wirtschaft, Behörden, Kirchen oder sonstigen Institutionen der Nazizeit sind ausschließlich zu solchen geworden, weil sie „eine systemkonforme Haltung an den Tag“ gelegt haben. Das ist übrigens in der heutigen Zeit auch nicht anders: Wer ein hohes Amt bekleiden möchte, hat auf Grundlage der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland das Benehmen staatlicher Institutionen einzuholen. Würde man dem jeweiligen Bewerber die Verfassungstreue aufgrund seines bisherigen Werdegangs nicht nachweisen können, bliebe ihm das Amt verwehrt. Das war früher so und das ist heute so!
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Und wenn der SPD-Antragsteller der aktuellen Namensüberprüfung die „systemkonforme Haltung“ zum Hauptindiz der Anklage erklärt, dann wäre auch „(…) die Schattenseite eines Bischofs, der wegen seines – im Episkopat recht einsam dastehenden – öffentlichen Einspruchs gegen die Ermordung von kranken bzw. als <lebensunwert> eingestuften Menschen zu Recht bewundert wird“, ein vernichtendes Indiz. Trotz seiner unter Lebensgefahr gehaltenen Predigten im Dom zu Münster. Die Rede ist vom „Löwen von Münster“, Kardinal Graf von Galen. Wie es die Zitate im vorherigen Abschnitt offenbaren. (05)
Nunmehr zeigt sich, dass der Antrag auf Namensüberprüfung und Statements dazu völlig aus der Hüfte geschossen sind. Populistisch, wenig überlegt und destruktiv bezüglich vorbildhafter Taten. Dass der Kardinal in linken Kreisen Münsters für seine angebliche Systemtreue z. B. in Form von Farbschmierereien heftig kritisiert wird, sei nur am Rande erwähnt. (06)
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Es zeigt sich, dass der SPD-Antrag auf Namensüberprüfung und Statements dazu völlig aus der Hüfte geschossen sind. Populistisch, wenig überlegt und destruktiv bezüglich vorbildhafter Taten. Dass der Kardinal in linken Kreisen Münsters für seine angebliche Systemtreue in Form von Farbschmierereien heftig kritisiert wird, sei nur am Rande erwähnt. (07)
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Kinder der Zeit
Die „Wissenschaftliche Untersuchung“ ist fertig. Der Auftrag lautete: „Der Rat der Stadt Cloppenburg beschließt unter Berücksichtigung der Beratungsergebnisse eine Überprüfung von Namensträgern Cloppenburger Stadtstraßen, sofern die begründete Besorgnis besteht, dass die jeweiligen Namensträger im Verdacht stehen, aktiv mit dem NSRegime kooperiert und deren Ideologie geteilt zu haben (…)“. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird dem Cloppenburger Ausschuss für Planung am 14.08.2024 vorgestellt, um möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Urteil zu gelangen.“ (08) Soweit der Auftrag! Zuvor sollte man sich allerdings fragen, welche Indizien denn wirklich ausschlaggebend sind, um bekannte Persönlichkeiten gesichert als bedingungslose Nazigrößen einordnen zu können. Standen Hanna Reitsch, Werner Mölders, Werner Baumbach und Ernst Udet für ihre Nazivergangenheit jemals vor Gericht und wurden verurteilt?
Nein, darüber gibt die Untersuchung der Universität Oldenburg keine Auskunft. Sie gibt auch keinen Hinweis darüber, dass die Angeklagten Kinder ihrer Zeit waren. Sie waren begeistert vom Fliegen. Um diese Begeisterung weiter leben zu können, vermieden sie jegliche Kritik am bestehenden System.
Kritik daran war auch kaum möglich, da sich Systeme stets dafür preisen, auf der richtigen Seite zu stehen, auf der Seite des Guten. Eine andere öffentliche Meinung gab es nicht. An anderslautenden Informationen war besonders während der Herrschaft der Nazidiktatur nur schwer zu kommen. Schließlich gab es kein Internet, aber Volksempfänger, die nicht so verbreitet waren, wie heute gerne angenommen wird. Bei ständiger Dauerbeschallung über das ideologisch Gute, welches das System angeblich vertrat, ergaben sich für die meisten Menschen zunächst keine weiteren Fragen. Somit wurde Kritik am System bereits im Keim erstickt.
Was die damalige Ideologie betraf, wurde diese verständlicherweise nicht erkannt. Auch nicht von denjenigen, die höhere Ämter – inklusiv der kirchlichen - innehatten. Dafür sorgten bereits die Medien, z.B. die Wochenschau in der Aufmachung des Hurra-Patriotismus. (09) Die wenigen Querdenker mussten allerdings um Leib und Leben fürchten. Permanente Angst erledigte den Rest. Daher ist es eine absolut freche Behauptung, die Menschen hätten es damals allesamt besser wissen müssen! Wollen die Ahnungslosen damit vielleicht behaupten, dass man aktuell nun alles besser weiß?
Heute Schwarz-Weiß! Damals Schwarz-Weiß!
Karriere? Das ist heute ein das Ziel für viele Menschen, genauso wie es in vergangenen Zeiten eines war. Und wenn es um eine fliegerische Karriere geht, dann können alle Sicherungen durchbrennen. Heute wie damals. Denn Fliegen begeistert. Diese Begeisterung am Fliegen zeichnet auch die Kampfpiloten aus, die nunmehr fast jeden Tag hoch am Himmel lautstark ihre Kreise ziehen. (10) Im Mittelpunkt steht nicht der Krieg, sondern die Faszination an der Flugtechnik, die ihnen allerdings einiges abverlangt. Und wenn sie am Ende ihres anstrengenden und gefährlichen Berufslebens oben auf Karriereleiter – evtl. mit ihren vielen Auszeichnungen - stehen, entscheidet die aktuell geopolitische Situation darüber, ob sie mit ihrer Vergangenheit als Piloten auf der guten oder bösen Seite standen. Besonders gepflegt wird dieses neu ausgerichtete Schwarz-Weiß-Bild von den vielen lautstarken Claqueuren, die selbst eine Karriere anstreben. Heute wie damals.
Betrachtet man die „Wissenschaftliche Untersuchung“, so werden zu den vier Persönlichkeiten Hanna Reitsch, Werner Mölders, Werner Baumbach und Ernst Udet jeweils tabellarische Eckpunkte ihres Wirkens geaufgeführt. Ihre fliegerische Begeisterung führte schließlich zu spektakulären Erfolgen. Diese werden ihnen in der Untersuchung auch nicht explizit angekreidet. Ebenso die Verleihung der höchsten Orden nicht.
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Doch einzelne Kritikpunkte an der Pilotin Reitsch und den Piloten Mölders, Baumbach und Udet sind nicht zu übersehen. So heißt es zu Reitsch (1912 - 1979): „Hanna Reitsch war vom Fliegen begeistert. In ihrem Leben erzielte sie zahlreiche Rekorde und brachte es als „Meisterfliegerin“ zu nationalem und internationalem Ruhm. (…) Bis heute variiert die Darstellung von Hanna Reitsch zwischen der Anerkennung ihrer Leistungen im Segel- und Motorfliegen und der Verurteilung ihrer auch nach 1945 nicht in Frage gestellten Sympathie für das nationalsozialistische System.“ Als Leser dieses schwammigen Resümees muss man sich fragen, wo hier die eindeutig nachweislichen Fakten sind, um Reitsch von einer Namensgebung suspendieren zu dürfen, auch wenn sie Trägerin des Eisernen Kreuzes I und II Klasse war. Da diese Schwammigkeit wenig dann doch wenig überzeugend scheint, darf der Zusatz nicht fehlen, der dann noch die politische Mehrheitsmeinung diskreditiert: „Die Benennung des Hanna-Reitsch-Weges in Cloppenburg war bereits 1991 von Kontroversen begleitet, da seitens der SPD und den Grünen Kritik an ihrem Handeln während der NS-Zeit geäußert wurde. Die Benennung erfolgte schließlich mit den Stimmen der CDU und gegen die Stimmen der SPD und Grünen.“ Soll das eine „wissenschaftliche“ Aussage sein?
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Auch Werner Baumbach (1916 – 1954) war Träger des Eisernen Kreuzes I und II Klasse. Darüber hinaus wurde im 1940 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen. Später verlieh man ihm zusätzlich das Ritterkreuze mit Eichenlaub und das mit Schwertern. Im Jahr 1945, also kurz vor Kriegsende, wurde er zum Luftwaffen-Oberst befördert. „Werner Baumbach nahm bereits seit 1932 an Segelfliegerkursen teil. Er war Führer der FliegerHJ in Cloppenburg und Sachbearbeiter für Flugertüchtigung im HJ-Bann 225 Südoldenburg.“ Der hochdekorierte Jagdflieger „(…) Baumbach wurde im Zweiten Weltkrieg auf verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt (…)“ Laut Nationalsozialisten galt er als „der erfolgreichste Kampfflieger der Welt“. Er scheute sich nicht, den Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Hermann Göring, zu kritisieren. Das angeblich aber nur intern. Doch die wissenschaftliche Untersuchung der Universität Oldenburg relativiert die Charakterzug und kommt zu dem Schluss, dass „(…) die Differenzen sich aber auf Fragen der Kriegsführung [beschränkten] und nie systemoppositionell [waren]“.
Bei der letzten Formulierung muss sich der Leser fragen, was Baumbach denn hätte tun sollen, um bei der von der wissenschaftlichen Untersuchung implizierten Pflicht zur systemoppositionellen Kritik nicht in Lebensgefahr zu geraten. Diese Gefahr war spätestens am 20 Juli 1944 bewiesen. Nachdem Claus Schenk Graf von Stauffenberg eine Bombe im „Führerhauptquartier“ in Ostpreußen detonieren ließ, um Hitler zu beseitigen, was aber fehlschlug, musste er seine Tat noch in derselben Nacht mit seinem Leben bezahlen. (11) Die Cloppenburger schätzten Baumbach. Nach seinem Tod im Jahr 1953 fand in Cloppenburg knappe 4 Monate danach eine Trauerfeier für ihn statt.
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Ernst Udet (1898 – 1941) galt als sehr erfolgreicher Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Das hatte ihn zu großer Popularität gebracht. Wie auch andere bekannte Persönlichkeiten der Nachkriegszeit trat er am 1. Mai 1933 der NSDAP bei. Die Autoren der Wissenschaftlichen Untersuchung merken an, dass Udets Beweggründe für diesen Eintritt bis heute unklar sind. Diese Anmerkung der „Wissenschaftlichen Untersuchung“ lässt auf bare Unkenntnis schließen. Auch heute noch gilt es, dass derjenige, der eine sichere und gehobene Karriere anstrebt, Mitglied der jeweils einflussreichsten politischen Partei sein sollte. Udet wurde letztendlich 1940 zum Generaloberst befördert. Ohne Parteibuch wäre ihm dieser Karrieresprung womöglich nicht gelungen. Udet war nicht nur Pilot, sondern auch der Inhaber einer Flugzeugfabrik mit der Bezeichnung „Udet Flugzeugbau GmbH“ in München. In dieses Unternehmen flossen amerikanische Finanzmittel ein. In erster Linie wurden dort leichte Sport- und Verkehrsflugzeuge gebaut. Dabei mussten die Beschränkungen des Versailler Vertrages eingehalten werden. (12)
Udet war durch sein Unternehmen –wie viele andere Unternehmer in Deutschland auch - in die Kriegsvorbereitungen eingebunden. Seine Firma galt spätestens nach Ausbruch des Krieges als Rüstungsunternehmen. „Bald wurde jedoch klar, dass er mit dem Amt überfordert war. Am 17. November 1941 beging er Selbstmord, der offiziell als Unfall getarnt wurde“. Die Wissenschaftliche Untersuchung der Universität Oldenburg kommt zu dem Schluss, dass Udets politische Haltung ambivalent bleibt. Auch hier wird naiv und unwissenschaftlich angemerkt, dass öffentlicher Widerstand oder Hilfe Udets für Verfolgte nicht dokumentiert sind. Das nach dem Motto, irgendetwas muss doch gefunden werden.
Cancel Culture und die Früchte
Nun liegen der SPD-Antrag und die „Wissenschaftliche Untersuchung“ mit SPD orientiertem Anstrich gemeinsam auf dem Tisch, werden zur Kenntnis genommen und es stellt sich die Frage, zu welchen verbindlichen Ergebnissen dieses Papier gekommen ist. Im Raum steht die Anklage „Systemkonforme Haltung“. Angeklagt die Personen Hanna Reitsch, Werner Mölders, Werner Baumbach und Ernst Udet, die es hätten besser wissen müssen.
Die „Wissenschaftliche Untersuchung“, so wie sie online veröffentlicht ist, konnte zwar mit vielen Quellen belegte Andeutungen kreieren, doch diese können nicht als belastende Argumente herhalten. Die retrospektive „Wissenschaftliche Untersuchung“ hat es versäumt, vollumfänglich das Selbstverständnis vergangener Zeiten zu berücksichtigen. Es ist versäumt worden, die zeitlich zugewiesenen Muster zu benennen und diese zu beschreiben, die Menschen der damaligen Zeit z. T. willkürlich beeinflussten und ihre normativen Handlungen bestimmten. Versäumt wurde auch, die normativen Handlungen zu hinterfragen, die vom damaligen Zeitgeist verlangt wurden. Denn „aktiv“ waren diese Handlungen allemal. Was denn sonst?
Aus dieser Aktivität kann nicht ohne weiteres ein Vergehen hergeleitet werden. Das schwerwiegenste Versäumnis dieser (angeblich) „Wissenschaftliche Untersuchung“ ist, dass zuletzt nicht definiert wurde, welche aktiven (!) Handlungen in Zeiten des Nationalsozialismus keinesfalls mehr zu rechtfertigen waren. Falls es zum vorliegenden Papier eine noch nicht veröffentlichte „Zusammenfassung des Wirkens in der Zeit des Nationalsozialismus“ geben sollte, würde das auch nichts ändern. Man bliebe weiterhin ahnungslos, aber wäre dennoch getrieben, das geforderte Urteil zu fällen. Wozu das?
Es ist schon erstaunlich dass die „Wissenschaftliche Prüfung“ auftragsgemäß mit neun weiteren Namen nachlegt, „die nicht zwischen 1933 -1945 gelebt haben, oder sich als <unverdächtige> Literaten, Wissenschaftler oder Widerständler ausschließen ließen.“ Quasi als Wink mit dem Zaunpfahl, um sich weitere Drittmittel zu sichern. Wer will denn auch noch über diese Verstorbenen richten? Sollte es nicht heißen, „De mortuis nihil nisi bene“? (13)
Es ist nicht zu verstehen, warum dem SPD-Antrag in dieser Form überhaupt zugestimmt wurde. Er hätte abgelehnt werden müssen, da der Vorwurf der „Systemkonformen Haltung“ unter Berücksichtigung einer streng definierten Aktivität nicht spezifiziert ist und damit jegliche Substanz vermissen lässt. Mit anderen Worten: Im heutigen Rechtsystem hätte die SPD-Anklage mit dem Arbeitstitel „Systemkonforme Haltung an den Tag legen“ nicht mal die Chance, als solche vor Gericht behandelt zu werden. Und weil das dem Antragsteller und seiner Partei das anscheinend allzu bekannt ist, ist der Text des Antrages auch nicht auf der Homepage der Cloppenburger SPD-zu finden.
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Die „Debatte um [die] Namen [Hanna Reitsch, Werner Mölders, Werner Baumbach und Ernst Udet ist also] nicht zu Ende gedacht (…)“. So wurde es Monate zuvor in einem Leserbrief der Lokalpresse formuliert. (14) Hier fragt ein Leser, „warum aber nur Reitsch, Baumbach, Mölders und Udet“ ins Visier des SPD-Antrages stehen. Er fragt weiter, warum nicht auch August Hinrichs, Gerhart Hauptmann, Heidegger oder auch Kant, Herder, Schopenhauer oder Wilhelm Busch. Damit nämlich wäre das Fass ohne Boden eröffnet!
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Nach der vorliegenden Lesermeinung könnte man zuspitzend schlussfolgern, dass die Namen „Reitsch, Baumbach, Mölders und Udet“ nur die Vorhut von dem sind, was noch kommen könnte. Somit könnte auch die Ehre des Kardinals Clemens Augustinus Kardinal Graf von Galen (15) in den Schmutz gezogen werden. Würde die Anklageformulierung des soeben erörterten SPD-Antrages ernstgenommen, wäre das ohne weiteres möglich, wie es dieser Meinungsartikel ausführlich dargelegt hat. Die Ahnungslosen hätten ihren eigenverantwortlichen Anteil daran. Ob im Falle eines Falles dann auch der umfunktionierte Muttertag (16) oder die Autobahnen (17) abgeschafft werden, sei dahingestellt. Denn der Beliebigkeit wären Tür und Tor geöffnet. „Cancel Culture“, ein Ausdruck der in Debatten immer häufiger auftaucht, spricht Bände. Dieser Kampfbegriff bezeichnet den Versuch, vermeintliches Fehlverhalten moralisch öffentlich zu ächten. (18)
Ob der Cloppenburger Bürgermeister nun eine Geldzurück-Forderung an die Autoren der „Wissenschaftlichen Überprüfung“ richten möchte, bleibt ihm überlassen. Das wäre nicht ganz unangemessen, aber ein politisches Desaster exponentiellen Ausmaßes. Was die Anlieger der betroffenen Straßen angeht, so schlagen diese schon seit längeren die Hände über ihren Köpfen zusammen. Müssen sie doch befürchten, demnächst in Straßen mit Namen aus der ahnungslosen Überflieger-Szene des Cloppenburger Ratspalastes zu wohnen. Wer wollte ihnen dann noch schreiben oder sie besuchen? Egal, was passiert: Das lokalpolitische Establishment hat bereits jetzt eine imposante Bruchlandung hingelegt. Nach Ausfall ihres Nachbrenners. Vor den Augen eines verärgerten Publikums. Im Schatten dieses lautstarken PR-Spektakels haben die Menschen wirklich andere Sorgen!
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