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Im Schatten der Europawahl

 

Amazon kommt nach Cloppenburg

 

Dort ist „Kühnert“ nun wirklich kein Thema

HFB-19-05-08

 

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Der amerikanische Onlineriese Amazon eröffnet ein Logistiklager in Cloppenburg, so die übereineinstimmenden Meldungen der lokalen wie regionalen Presse. Abgesehen davon, dass prekäre Arbeitsbedingungen möglich sind oder dass Onlineanbieter Amazon wie auch die Onlineportale Google, Facebook etc., außerhalb des fairen Wettbewerbs in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern keine Steuern zahlen müssen (1), so steht doch fest, dass die Lokalpolitik die Ansiedlung von Amazon nicht verhindern kann. Warum auch? Amazon verstößt weder gegen deutsche oder europäische Gesetzte, noch gegen Interessen der Stadt Cloppenburg.

 

All dies widerspricht dem Kurs der Agenda 2010 nicht. Unter ROT-GRÜN wurde sie eingeführt und ist seit ihrer Umsetzung heftig umstritten. Begleitet von einer wissenschaftsorientierten „Kapitalismuskritik“. Doch nun wurde ein markanter Impuls von Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der JUSOS, gesetzt (2). Zum blanken Entsetzen seiner Parteifreunde in der SPD. Kühnert legt nach und stellt richtig, wobei ihm aus verschiedenen Lagern, nicht nur aus dem linken, Sympathie entgegenschlägt. Es ist Europawahlwahlkampf. Ob sich dann auch die heißdiskutierte „Kapitalismuskritik“ zum Wahlkampfthema entwickelt, wird sich zeigen. Cloppenburg und das Umland jedenfalls hätten aufgrund prekärer Beschäftigungs-, Einkommens- und Wohnverhältnisse, gleich mehrere konkreten Anlässe, um darüber zu reden! Nicht zuletzt auch aufgrund der möglichen Umstände auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene, die mit der geplanten Ansiedlung Amazons und dem dahinter verborgenen Geschäftsmodell in Beziehung stehen.

NWZ-Amazon-Stellungn-der Politik-19-01b

(3)

Letztlich darf der Vorsitzende der SPD-LINKS-Fraktion die 500 neuen Arbeitsplätze durchaus „positiv“ sehen. Auch der Chef der CDU-Fraktion darf sich darüber „freuen“, dass mit der Neuansiedlung von Amazon möglicherweise die dreifache Zahl an Neubürgern in Cloppenburg zu begrüßen ist. Aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit spielt es natürlich keine Rolle, ob diese entweder aus Polen, Bulgarien oder Rumänien nach Cloppenburg kommen. Es spielt auch keine Rolle, welche Arbeitsagenturen diese Vermittlung übernehmen. Zuletzt ist es unwichtig, welche exorbitanten Gewinne bei all diesen Vermittlungen gemacht werden. Gewinne, die stets zu Lasten der Löhne im Billiglohnland Deutschland gehen. Das alles hat zunächst keine Relevanz, weil es im Rahmen des deutsch-europäischen Gefüges vollkommen legal ist.

Und wenn die führenden Herren aus Politik und Verwaltung die 500 Arbeitsplätze und den Zuzug weitere Familienmitglieder dieser Werktätigen wirklich „positiv“ (SPD/LINKE) sehen und sich ehrlich (!) darüber „freuen“ (CDU/FDP/ZENTRUM), dann werden sie natürlich dafür sorgen, dass diesen Menschen eine intakte Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird. Provisorien wären ein fatales Zeichen. Diese widersprächen der stets hochgehaltenen Willkommenskultur. Vielmehr sollte man sich an die schlechten Erfahrungen mit prekären Unterkünften erinnern (4).

 Heftige Kritik setzt Maßstäbe: Daher darf es nicht ausgeschlossen bleiben, dass Politik und Verwaltung öffentlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen haben. Oder sollte man den privaten Spekulanten auch in Zukunft das Feld überlassen? Des Weiteren wären bestehende Einrichtungen dem erforderlichen Mehrbedarf anzupassen. Das beträfe u.a. städtische Kindergärten und Grundschulen sowohl im baulichen als auch im personellen Bereich.

Demzufolge kommen vermehrt finanzielle Verpflichtungen auf die Stadt Cloppenburg zu. Gewohntermaßen würde das zur Neuverschuldung des Cloppenburger Haushalts führen. Alternativ wäre zu überlegen, ob Einsparungen bei den freiwilligen Ausgaben nicht deutlich zielführender sind.

Über all die zukünftigen Verbindlichkeiten, die mit 500 neuen Arbeitsplätzen in Cloppenburg zusammenhängen, war in den Pressemitteilungen der Lokalpolitiker nichts zu hören. Dass die Ansiedlung einen Mehrwert für Cloppenburg bringt, sei geschenkt. Schließlich sei der grenzenlosen Marktwirtschaft nichts entgegenzusetzten, so der innerste Zirkel der Gedankengänge. Die Ansiedlung von Amazon werde dann auch „positiv“ gesehen und man könne sich darüber „freuen“, so die politischen Hohlphrasen der soeben wachtelefonierten Interviewpartner. Ach ja? Was denn sonst?

Es ist gerade kein Geheimnis, dass im Vorfeld einer möglichen Unternehmensansiedlung Gespräche zu führen sind, die zumindest von der Unternehmensseite als streng vertraulich eingefordert werden. Die kritische Meinung des Vorsitzenden der SPD-LINKS-Fraktion darüber bleibt damit unverständlich. Damit belegt er nur einen bedeutungslosen Nebenschauplatz. Frei nach der altachtundsechziger Polit-Philosophie „Viel meinen, aber wenig wissen“ entlarvt sich die Forderung nach frühzeitiger Aufklärung als weitere Hohlphrase, wodurch Anmaßung und Selbstüberschätzung erkennbar werden: Möchte der Vorsitzende der Cloppenburger SPD-LINKS-Fraktion denn wirklich diese, seine Kritik, als eine Art Political Correctness, als eigenes Markenzeichen verkaufen, um dem politischen Gegner in zusätzlichen Worthülsengefechten das genaue Gegenteil zu unterstellen? Als öffentlich ausgewiesener „Best Friend“ der Lokalpresse diese Art an Fairness zu einzufordern, erschiene zumindest skandalös. Das Defizit an Seriosität wäre unverkennbar. Wäre es nicht zielführender, anstelle von Befindlichkeiten zu allererst den dringendsten Problemen mit Mut und Ausdauer nachzugehen?

International agierende Onlineunternehmen, dazu zählt besonders Amazon, sind laut Cloppenburger Lokalpresse nunmehr alternativlos marktdominant (5). Dass mittlere Betriebe des Umlandes dabei an die Wand gefahren werden, ist kein Thema der oft marktfreundlichen Kommentare! Hochgepriesen von Presse und Politik zugleich schlägt die marktliberale Ausrichtung alle Rekorde. Im europäischen Kontext nicht ausgespart, sondern hartnäckig verteidigt. Wenn auch unüberhörbar aus Berlin oder Brüssel, dann doch mitgetragen von Cloppenburgern Polit-Akteuren. Nach der Devise, der Ansiedlung von Marktgiganten könne man sich nicht verschließen, verneigen sich besonders die Hochtöner vor den globalen Auswüchsen im Euroraum, deren Symptome man immer wieder heftig kritisiert. Und das in einer permanenten Bandschleife, weil die Zusammenhänge entweder unklar sind, soziale Belange einfach ignoriert werden oder der Unterhaltungswert nicht zu kurz kommen darf.

Auch auf die Idee, diejenigen europäischen Wettbewerbsverzerrungen kritisch unter die Lupe zu nehmen, die durch ungleiche Steuerlasten hervorgerufen werden, kommt die hiesige Politik nicht! Die sozialkritische Betrachtung, welches den ungleichen Wirtschaftswettbewerb hinterfragt, bleibt unzureichend. Medial aufgearbeitet werden stets die Symptome, nicht die Ursachen. Die aktuelle Lage vor Ort böte ausreichend Gelegenheit zu einer kritischen Bewertung, die den Kern der strukturellen Missstände beim Namen nennt. Doch aktuell nehmen die Bürger einen wenig profilierten Schmusekurs wahr. Einen Kevin Kühnert sucht man vergebens in der Cloppenburger Politik. Außerhalb dieser übernimmt ausschließlich Peter Kossen diese Rolle, ein sozialengagierter katholischer Geistlicher mit Mut und Ausdauer (6).

Die etablierten Parteien Deutschlands, darunter vor allem die Sozialdemokraten, treten zur Europawahl im Mai 2019 in denkbar schlechtester Verfassung vor ihre Wähler. Ihre Zustimmung schwindet, während das rechtskonservative Lager an Boden gewinnt. Die Brüsseler Politik scheint am Ende. Brexit, Gelbwestenproteste, Katalonien-Konflikt, Militärausgaben sind nur einige der vielen Gründe hierfür. Die Europawahl sieht nach einem Denkzettel größeren Ausmaßes aus, der die etablierten Parteien derbe abstrafen könnte. Die eigentliche Botschaft, „Das Vereinte Europa“, gärt im Sumpf der nationalen Eigeninteressen und bleibt eine leere Worthülse! Immer noch ausgesperrt zur Europawahl die „Transnationalen Listen“. Blockiert allein von Deutschland! Drei Wochen vor der entscheidenden Wahl hält die Mainstream-Presse alles das zurück, was in der Europäischen Union kritisch zu betrachten wäre. In weiter Ferne verbleiben Maduro, Trump oder der Raketenonkel aus Nordkorea als temporäre Bösewichte. Innerpolitisch wird sich massiv an der AfD abgearbeitet.

In vielen Ländern der europäischen Union sind die Menschen unzufrieden wie nie zuvor. Die Ergebnisse der Europawahlen könnten das bestätigen. Besonders wegen der marktorientierten Lastigkeit, wobei die sozialen Belange für Politik und Presse meistens keine Rolle spielen. Und wenn dann doch jemand aufmuckt, wie das Beispiel des Jusos-Chefs Kühnert zeigt, werden Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um solche Meinungen niederzubrüllen. Verstärkt auch mit unlauteren Argmenten.

So wird vom Fernsehsender n-tv behauptet, nur die aktuellen Äußerungen Kühnerts hätten zu den schlechten Umfrageergebnissen für die SPD geführt. Aktuell werden 15 Prozent Zustimmung genannt (7). Der Sender berichtet jedoch nicht darüber, dass die Umfrage annähernd beendet war, als der „Kühnertsche Sozialismus“ medial zum Durchbruch kam. Somit ist die Schlussfolgerung, Kühnert sei für den neuerlichen Absturz der SPD verantwortlich, ausschließlich an beziehungslosen Parallelen (korrelativen Zusammenhängen) aufgehängt. Für einen ursächlichen (kausalen) Zusammenhang gibt es keinen Hinweis. Deutlicher kann sich Zuhörertäuschung nicht zeigen. Es wäre vielmehr richtigzustellen, dass die Bundes-SPD an den gegenwärtigen marktwirtschaftlichen Verhältnissen nichts ändern wird, auch wenn diese aufgrund der vielen Missstände im Visier der „Kühnertschen Kritik“ stehen. Genau diese Verweigerungshaltung ist es, warum es mit den Zustimmungswerten so schlecht für die SPD bestellt ist.

Zudem sind sich einige Kritiker auch nicht zu schade, wieder einmal die Kommunismuskeule a la McCarthy (8) zu schwingen. Doch man muss nun wirklich kein Kommunist sein, um Kühnerts Denkanstoß als ernstgemeinte Warnung zu verstehen. Das hat sich mittlerweile herumgesprochenen (9). Nun bleibt offen, ob die Botschaft in Empfangslöchern wie zwischen Cloppenburger Rathaus und Kirchturm überhaupt ankommt. Zumindest außerorts formiert sich faktischer Widerstand. Auch unabhängig von Kühnerts Denkanstößen! Nicht gegen Unternehmen wie Amazon und Co, sondern gegen die prekären sozialen und wirtschaftlichen Umstände, die nationale und europäische Politik alleine zu verantworten haben. In einer Zeit, in der bereits öffentlich über die Besitzverhältnisse auf dem z.T. unerschwinglichen Wohnungsmarkt nachgedacht wird und eine Lösung der Verteilungsfrage nunmehr überfällig ist.

Die gestiegen Unzufriedenheit wird für deutlich mehr Wahlbeteiligung sorgen und diejenigen abstrafen, die alternative Debatten in ihrem tieferen Inneren erst gar nicht zulassen. Nach einem desaströsen Wahlergebnis jedenfalls wäre Schluss mit der GroKo in Berlin. Ein Ereignis, welches die Zustimmungswerte auf lokaler Ebene, vor allem für die CDU, mehr noch für die SPD, in den Keller rauschen ließe. Danach wäre die „Sanduhr“ endgültig abgelaufen!

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     Quellen

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MT-Kommentar-KKuehnert-19-01b

Auf den Punkt gebracht

hat es der Kommentar von Norman Berg. Es scheint sich rumgesprochen zu haben, dass der “Kühnertsche Sozialismus” nur ein Denkanstoß sein kann, der längst überfällig war. Doch die Reaktionen auf Kühnerts Äußerungen sind katastrophal. Dabei schaden sich nur diejenigen, die ihn kritisieren und nicht Kühnert die SPD. Die von dort ausgesandten Reaktionen verraten nur, wie weit sich die SPD von dem entfernt hat, was noch immer im Godesberger SPD-Parteiprogramm nachzulesen ist. Leider sind die Ziele von damals in Vergessenheit geraten. Gleichzeitig wundert man sich im Willy-Brandt-Haus darüber, dass die Umfragewerte so schlecht sind für die SPD. Andrea Nahles und Sigmar Gabriel scheinen die Ursachenlogik überhaupt nicht zu verstehen. Sie wollen es gar nicht! Auch in Cloppenburg ist die SPD nicht viel weiter. Es ist traurig, wie vollkommen daneben die Sozialpolitik läuft und stets durch große Worte die großen Taten ersetzt oder wie reflexartig sie Symptome bekämpft. Einen Kevín Kühnert sucht man in diesen Kreisen vergebens!

 

 

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